Wasserforum in Amed fordert rechtliche Anerkennung von Flüssen
Beim MWF in Amed wurden Vorschläge zum Schutz der Wasserressourcen, zu gerechtem Zugang und ökologischer Gerechtigkeit erarbeitet. Besonders diskutiert: Euphrat und Tigris sollen als „lebendige Wesen“ mit eigenen Rechten anerkannt werden.
Mit Forderungen nach einem gerechten Zugang zu Wasser, der Einrichtung gemeinsamer Kommissionen und der Anerkennung von Flüssen als „lebendige Wesen“ ist das Zweite Wasserforum Mesopotamiens (MWF) am Sonntagabend in Amed (tr. Diyarbakır) zu Ende gegangen. Drei Tage lang diskutierten Vertreter:innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik über Lösungen für die zunehmende ökologische Krise in der Region.
Die Veranstaltung fand im Kongress- und Kulturzentrum ÇandAmed statt und wurde von zahlreichen Akteur:innen aus der Türkei, dem Irak, Nord- und Ostsyrien sowie internationalen Umweltinitiativen begleitet. Ziel war es, überregionale Strategien für den Schutz von Wasserressourcen, die Sicherung des Menschenrechts auf Wasser und eine ökologisch-demokratische Wasserpolitik zu entwickeln.
Im Verlauf des Forums wurde deutlich: Wasserknappheit ist weniger ein physisches als ein politisch verursachtes Problem. Als zentrales Thema wurde daher nicht nur der Zugang zu Wasser, sondern auch die gerechte Verwaltung von Wasserquellen, die Verknüpfung mit Klimagerechtigkeit sowie die Rolle von Diplomatie und lokaler Selbstverwaltung betont.

Workshops: Wasser, Frieden und die Rolle der Gesellschaft
Am zweiten Tag des Forums fanden mehrere thematische Workshops statt. Unter dem Titel „Wasser, Frieden und Freiheit“ diskutierten Teilnehmende die kulturelle und historische Bedeutung der Flüsse Tigris und Euphrat, die als Grundlage für sozialen Ausgleich und Frieden zwischen den Völkern dienen könnten. Auch die Rolle der Frauen in wasserpolitischen Fragen wurde beleuchtet.
In der Arbeitsgruppe „Wassermanagement und Befreiung der Einzugsgebiete“ wurden Ursachen der Wasserkrise in den Ländern Mesopotamiens sowie mögliche ökologische und demokratische Auswege thematisiert. Eine dritte Runde widmete sich dem Konzept der „Wasserdiplomatie der Völker“ und forderte inklusive und lokal verankerte Ansätze als Alternative zu staatlich dominierten Verteilungsabkommen.
Zentrale Punkte waren dabei: Wasser als Menschenrecht, Erinnerungskultur, Sicherheit, Gesundheit, Klimawandel, internationale Verantwortung, sowie die Rolle lokaler Akteur:innen in der Wasserpolitik. Auch historische Entwicklungen – etwa die Rolle Mesopotamiens als Wiege der ersten Bewässerungssysteme – wurden mit der heutigen ökologischen Krise in Verbindung gesetzt.

Verschärfte Krise im Irak und in Rojava
Teilnehmer:innen aus dem Irak berichteten, dass das Land rund 80 Prozent seiner Wasserressourcen eingebüßt habe. Millionen Menschen seien dadurch zur Flucht gezwungen worden. Delegationen aus Nord- und Ostsyrien (Rojava) bezeichneten die anhaltenden Wasserblockaden durch die Türkei – insbesondere bei der Allouk-Wasserstation im besetzten Serêkaniyê (Ras al-Ain) – als direkte Verletzung des Rechts auf Leben. Sie forderten die Einrichtung demokratischer Überwachungsmechanismen zur Sicherstellung der Wasserversorgung in der Region.
Vertreter:innen aus der Türkei wiederum warnten vor den Auswirkungen von Staudämmen, Bergbauprojekten und großflächiger industrieller Tierhaltung auf die natürlichen Wasserkreisläufe. Auch spirituelle Perspektiven fanden Gehör: Die Bedeutung des Wassers in alevitischen, ezidischen, zoroastrischen und nestorianischen Glaubensrichtungen wurde hervorgehoben.
Forderungen und Handlungsempfehlungen
Am letzten Tag des Forums wurden die wichtigsten Empfehlungen vorgestellt, die in den kommenden Tagen in eine offizielle Abschlusserklärung einfließen sollen. Dazu gehören unter anderem:

▪ Entwicklung neuer politischer Strategien gegen Bergbauaktivitäten in Wassereinzugsgebieten;
▪ Ausarbeitung internationaler Abkommen zum Schutz des Rechts auf Wasser – mit direkter Beteiligung der betroffenen Bevölkerung;
▪ Einrichtung gemeinsamer, internationaler Forschungskommissionen zur Wasserproblematik;
▪ Aufbau digitaler Plattformen für Vernetzung und schnellen Informationsaustausch;
▪ Entwicklung gemeinsamer politischer Maßnahmen gegen den Einfluss industrieller Tierhaltung auf Wasserressourcen;
▪ Bildung einer zivilgesellschaftlichen Delegation zur Beobachtung der Situation an der Allouk-Wasserstation in Nordsyrien;
▪ Sammeln und Abgleichen wasserbezogener Daten auf überstaatlicher Ebene – als Grundlage gemeinsamer Strategien.
Eine zentrale Forderung, die auf breite Zustimmung stieß, war die rechtliche Anerkennung von Flüssen als lebendige Entitäten mit eigenen Rechten. Dies sei nicht nur ein juristisches Konzept, sondern auch Ausdruck eines neuen ökologischen Bewusstseins, hieß es.
Abschluss und Ausblick
Das Forum endete mit dem Versprechen, die begonnenen Diskussionen in konkrete politische Initiativen zu überführen. Die offizielle Abschlusserklärung soll innerhalb von zehn Tagen veröffentlicht werden.
Nach dem Forum besuchten Teilnehmer:innen aus verschiedenen Regionen symbolträchtige Orte in Amed, darunter das Cemilpaşa-Herrenhaus, das Dengbêj-Haus, Fiskaya, die Zehnbogenbrücke sowie den Kırklar-Berg. Das Forum stand unter dem Motto: „Wasser ist Leben, Wasser ist Frieden.“
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