Wirtschaftskrise lässt Proteste gegen das Regime aufflammen
In den südlichen syrischen Provinzen Suweida und Daraa sind Protestaktione gegen das Assad-Regime entbrannt. Es sind die größten Demonstrationen in Suweida seit Beginn der syrischen Revolution und täglich gehen mehr Menschen auf die Straßen. Kann das der Funke für ein Strohfeuer sein?
„Lang lebe Syrien, nieder mit Bashar al-Assad!“, „Das Volk will das Regime stürzen!“, „Wir wollen uns befreien, und es gibt kein Zurück mehr!“ Diese und ähnliche Parolen hallen durch die Straßen der südlichen syrischen Provinzen Suweida und Daraa. Letztere gilt als die Wiege der syrischen Revolution im Jahr 2011. Obwohl in den vom Regime kontrollierten Gebieten regierungsfeindliche Proteste sehr selten sind, hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Demonstrationen gegeben. Nun nehmen sie aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Lebensbedingungen, wirtschaftlicher Misswirtschaft des Regimes und steigender Kraftstoffpreise zu. In mindestens 60 Ortschaften innerhalb der Regime-Gebiete sollen Proteste stattgefunden haben. Viele Demonstrierende fordern dabei nicht nur Lösungen für die anhaltende Wirtschaftskrise, sondern mittlerweile auch offen den Sturz des Regimes.
Verhandlungen statt Waffen
Brutale Niederschlagungen der Proteste wie 2011 und 2012 gibt es
bisher nicht. Das liegt auch am Ursprungsort der derzeitigen
Demonstrationen: Suweida. Hier leben primär Angehörige der drusischen
Minderheit. Die Beziehungen zwischen religiöser Führung der Drusen und
Regime wurden während der vergangenen Kriegsjahre oft als nah
beziehungsweise neutral beschrieben. Die Sonderstellung garantiert eine
relative Freiheit – auch für Demonstrationen –, solange dabei die
Legitimität des Regimes nicht in Frage gestellt wird. Bislang konnten
die Menschen in Suweida deshalb unbehelligt protestieren.
Bleibt
es dabei? Das Regime dürfte derzeit kein Interesse an Bildern von
brutalen und blutigen Niederschlagungen von Protesten haben, die um die
Welt gehen. Denn Assads internationale Normalisierung und
Rehabilitierung ist im vollen Gange. Ist er doch im Mai erst wieder in
die Arabische Liga aufgenommen worden und zuletzt hatte er sogar mit der
UN um die Öffnung der Grenzen für Hilfsgüter verhandelt. Gefährden
möchte er diese Offenheit auf keinen Fall.
Um die anhaltenden
Proteste zu beenden, schickte Assad nicht die Armee, sondern Suweidas
Gouverneur Bassam Barsik zum geistlichen Führer der drusischen
Gemeinschaft, Hikmat al-Hijri. Barsiks Vermittlungs- und
Schlichtungsversuch blieb allerdings ohne Erfolg. Die Forderungen der
Demonstrierenden seien klar und deutlich und solange diese nicht erfüllt
seien, gebe es keine Verhandlungen, so al-Hijri. Den Sturz des Regimes
hat er dabei nicht vor Augen, sondern die Verbesserung der
Lebensbedingungen, geringere Preise, höhere Einkommen.
„Das syrische Volk ist eins!“
Um den Druck zu erhöhen rufen Aktivist*innen zu Massendemonstrationen jeden Freitag auf. Das Ziel: Landesweite Proteste in allen Städten Syriens. Tatsächlich schließen sich Menschen in allen Regionen diesen Freitagskundgebungen an und gehen lautstark auf die Straße, beispielsweise in Idlib und Nord-Aleppo im Nordwesten oder in Hassaka, Raqqa und Deir ez-Zor im Nordosten.
Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass sich die Proteste in den kommenden Tagen auch in anderen syrischen Städten unter der Herrschaft des Regimes ausbreiten könnten.
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