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Syrischer Frauenrat fordert Handeln gegen Invasion


Der Frauenrat Nord- und Ostsyriens hat einen Bericht zu den Kriegsverbrechen der Türkei in Rojava vorgestellt und einen Forderungskatalog vorgelegt, der an die internationale Gemeinschaft gerichtet ist.


+Der Frauenrat Nord- und Ostsyriens hat einen Bericht zu den Kriegsverbrechen des Nato-Partners Türkei und seiner islamistischen Proxy-Armee bei der völkerrechtswidrigen Invasion in Rojava vorgestellt. Seit dem 9. Oktober 2019 führt der türkische Staat mit seinen dschihadistischen Milizen einen Angriffskrieg gegen die selbstverwalteten Gebiete in Nordostsyrien. In ihrem Bericht sprechen die Verfasserinnen von Verbrechen der Aggression, die gleichzusetzen sind mit Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Neben einer Auflistung zahlreicher Verstöße gegen Menschenrechtskonventionen hat der syrische Frauenrat zudem einen umfassenden Forderungskatalog vorgelegt, in dem Ideen zur Beendigung der invasiven Angriffe auf Rojava formuliert werden:
1-Die Türkei greift seit dem 9. Oktober 2019 die Regionen Nord- und Ostsyriens an und begeht Verbrechen der Aggression. Damit verstößt sie gegen die bei der UNO-Generalversammlung vom 14. Dezember 1974 beschlossene Resolution 3314 (XXIX).
2-Diese Angriffe verletzen die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit Syriens.
3-In Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) verletzte der türkische Staat die 1954 verabschiedete Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut, indem er das gesamte Kulturerbe zerstörte und an allen Einrichtungen und Institutionen seine Fahne anbrachte.
4-Die Türkei beruft sich bei ihren Angriffen gegen Nord- und Ostsyrien auf ihr Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UNO-Charta, verstößt jedoch selbst gegen den Artikel. Ein bewaffneter Angriff Nord- und Ostsyriens gegen die Türkei wurde bisher nicht nachgewiesen.
5-An den Kurden, Armeniern, Assyrern und Suryoye wurden Massaker verübt. Diese stellen einen Verstoß gegen die 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO dar.
6-Die Vertreibung von 300.000 Menschen aus dem Norden und Osten Syriens und die Verhinderung ihrer Rückkehr sowie die Veränderung der demografischen Struktur der Region stellen einen Verstoß gegen Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs dar und verletzen das 1949 verabschiedete Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.
7-Die Zerstörung von beweglichen oder unbeweglichen Gütern und die Aneignung von persönlichem oder gemeinschaftlichem Eigentum der Kurden in/aus Serêkaniyê und Girê Spî verstoßen gegen Artikel 8 des Römischen Statuts.
8-Der Verstoß gegen Artikel 6 des Römischen Statuts, worunter Handlungen fallen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zerstören und als Völkermord definiert werden, liegt gleichermaßen vor. Seit Beginn der invasiven Angriffe des türkischen Staates gegen Nord- und Ostsyrien sind acht Kinder ums Leben gekommen, weitere 69 wurden verletzt. 70.000 Kinder wurden nach Informationen von Heyva Sor a Kurd (Kurdischer Roter Halbmond) aus Serêkaniyê und Girê Spî vertrieben.
9-Die Anzahl der Frauen (Zivilistinnen), die bei den Besatzungsangriffen der Türkei ums Leben gekommen sind, beläuft sich auf 21. Weitere 154 Frauen wurden bei den Angriffen verletzt. Hier handelt es sich um Verstöße gegen Artikel 7 der Genfer Konvention.
10-Die Hinrichtung von Havrin Khalaf (Hevrîn Xelef), der Generalsekretärin der Zukunftspartei Syriens, am 12. Oktober 2019, die Schändung ihres Leichnams und die Dokumentation ihrer Ermordung stehen im Widerspruch zu Artikel 7 des Römischen Statuts, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit regelt.
11-Die Misshandlung der Leiche der gefallenen YPJ-Kämpferin Amara Rênas (Azize Celal) durch dschihadistische Truppen der sogenannten „Syrischen Nationalarmee” (SNA), die entwürdigende Filmung des Verbrechens und die Publikation der Aufnahmen in den sozialen Medien verstoßen gegen Artikel 8 der Genfer Konvention.
12-Die Entführung und Hinrichtung der Gesundheitsbediensteten Media Bouzan, Mohamed Bouzan Saidi und Havin Khalil Ibrahim (Mitarbeiter*innen des Heyva Sor a Kurd) verstoßen gegen Artikel 7 der Genfer Konvention.
13-Mitglieder bewaffneter Gruppen veröffentlichten Aufnahmen der YPJ-Kämpferin Çiçek Kobanê, die verletzt in Kriegsgefangenschaft geraten ist und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wurde. Dies stellt ein Kriegsverbrechen gemäß der Artikel 13, 14, 15 und 16 der Genfer Konvention dar und verstößt gegen die Artikel 7 und 8 des Römischen Statuts.
14-Am 13. Oktober 2019 bombardierten Kampfflugzeuge des türkischen Staates Serêkaniyê und einen zivilen Konvoi, der sich auf dem Weg in die Stadt befand, unter dem Einsatz verbotener und chemischer Substanzen. 18 Menschen sind bei dem Angriff ums Leben gekommen, mehr als 70 wurden verletzt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um international geächtete Kriegsverbrechen. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der Türkei in diesem Zusammenhang Kriegsverbrechen, Massentötungen und unrechtmäßige bzw. willkürliche Angriffe vor. Der 13-jährige Mihemed Hemid (Mohammed Hamid), der bei den Angriffen auf Serêkaniyê massive Verbrennungen erlitten hat, wird noch immer in einem Krankenhaus in Frankreich behandelt.
15-Durch die Bombardierung des Trinkwasserdepots Eluk/Amûdê wurden etwa 500.000 Menschen von der Wasserversorgung abgeschnitten. Ebenso wurden Stromleitungen und -verteileranlagen ins Visier genommen und somit humanitären Katastrophen Tür und Tor geöffnet. Diese Handlungen verstoßen gegen Artikel 54 im Zusatzprotokoll I vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, der den Schutz der für die Zivilbevölkerung lebensnotwendigen Objekte regelt und verbietet, Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, Trinkwasserversorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen.
16-Am 2. November 2019 wurde bei Til Temir ein Fahrzeug der Hilfsorganisation Free Burma Rangers angegriffen. Der Arzt Zau Seng (37) ist bei dem Angriff ums Leben gekommen, ein weiteres Teammitglied wurde verletzt. Ein Krankenwagen der deutschen Hilfsorganisation CADUS und das Krankenhaus von Serêkaniyê wurden ebenfalls angegriffen. Hierbei handelt es sich um Verstöße gegen die Artikel 8 und 13 der Genfer Konvention.
17- Humanitäre Zonen, Sicherheitszonen und Sicherheitskorridore für Verwundete, Gefallene und Zivilisten, die vor Bombardierungen flüchten, wurden nicht geschaffen. Dies widerspricht den Artikeln 14, 15, 16, 17 und 18 der Genfer Konvention.
18-Der türkische Staat bombardierte in Nord- und Ostsyrien unter Schutz gestellte antike Stätten und historische Siedlungshügel. Dies stellt einen Verstoß gegen die Resolution 2347 des UN-Sicherheitsrats zum Kulturgutschutz dar.
19-Bei dem Angriff auf einen Zivilkonvoi am 13. Oktober 2019 wurde der Journalist und ANHA-Korrespondent Seed Ehmed (Saad al-Ahmad) getötet. Am 12. November 2019 eröffnete die türkische Armee in Kobanê Feuer auf eine protestierende Menschenmenge und verletzte die Journalist*innen Zozan Remedan Berkel (JinTV) und Dilyar Cizirî (Ronahî TV). Diese Taten verstoßen gegen Artikel 79 des Zusatzprotokolls I zum Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte. Journalisten, die in Gebieten eines bewaffneten Konflikts gefährliche berufliche Aufträge ausführen, gelten als Zivilpersonen und sind als solche zu schützen.
20- Alle Kirchen in Serêkaniyê sowie die armenische Kirche in Girê Spî wurden angegriffen und geplündert. Das Römische Statut weist vorsätzliche Angriffe gegen Gebäude mit religiösem Charakter als Kriegsverbrechen aus. Religiöse Kulturgüter sind zudem durch die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vor Zerstörung, Beschädigung, Diebstahl und Plünderung geschützt.
Appell an internationale Gemeinschaft
Der Syrische Frauenrat hat auf Grundlage der genannten Kriegsverbrechen des türkischen Staates und seiner islamistischen Hilfstruppen einen umfassenden Forderungskatalog erstellt, der an die internationale Gemeinschaft gerichtet ist. Damit sollen die aufgezeigten Missstände abgestellt werden, um so die Bevölkerung Nord- und Ostsyriens vor weiteren Schäden durch Angriffe zu bewahren:
1-Alle Punkte, die das Abkommens über einen Waffenstillstand in Nord- und Ostsyrien umfassen, müssen erfüllt werden. Außerdem müssen sich alle nichtsyrischen Akteure aus dem Land zurückziehen.
2-Zum Schutz der Zivilbevölkerung muss eine Flugverbotszone über Nord- und Ostsyrien eingerichtet werden.
3-Zur Verhinderung der Absichten des türkischen Staates, die Demografie der Region zu verändern, muss unter internationaler Auffsicht die Rückkehr der vertriebenen Zivilisten an ihre Wohnorte in Serêkaniyê und Girê Spî gewährleistet werden.
4-UN-Friedenstruppen und international anerkannte Friedenstruppen sollten nach Nord- und Ostsyrien entsandt werden, um die Angriffe des türkischen Staates zu stoppen.
5- Die Vereinten Nationen sollten eine Untersuchungskommission einsetzen und die Verstöße der türkischen Armee und ihrer Angehörigen in Nord- und Ostsyrien untersuchen.
6-Die Hinrichtung der Politikerin Havrin Khalaf und der Kämpferin Amara Rênas, die Misshandlung ihrer Leichen sowie die Folter an der Kämpferin Çiçek Kobanê müssen strafrechtlich verfolgt werden.
7-Die NATO muss aufgefordert werden, zu den Angriffen der Türkei auf Nord- und Ostsyrien unter dem Einsatz von NATO-Waffen Stellung zu beziehen.
8-Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und ihm unterstehende Gruppen sollten vor internationalen Strafgerichtshöfen wegen dem Einsatz verbotener Waffen und der Begehung von Straftaten im Sinne der genannten Kriegsverbrechen angeklagt werden. Erdogan hat offen zum Ausdruck gebracht, die Kurden ‚unter der Erde begraben zu wollen‘. Diese hasserfüllte Aussage verdeutlicht die Absicht der Kriegsverbrechen gegen das kurdische Volk.
Danksagung
Der Frauenrat Nord- und Ostsyriens begrüßt abschließend alle Frauen aus Rojava und den anderen Teilen Kurdistans sowie Vertreterinnen und Repräsentantinnen internationaler Freiheitsbewegungen und Organisationen. „Unser Dank richtet sich an alle Menschen, die für Frieden, Freiheit und die universalen Menschenrechte eintreten, den Schutz des kurdischen Volkes fordern und die Angriffe der Türkei auf Nord- und Ostsyrien ablehnen. Wir bedanken uns bei all denjenigen, die uns dabei unterstützt haben, die Frauen und Kinder von Rojava angesichts der brutalen Tötungsmaschinerie des türkischen Staates zu verteidigen.“

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