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Lage in Suweida: MSD warnt vor Zerfall Syriens


Der Demokratische Syrienrat fordert angesichts der Gewalt in Suweida umfassende politische Reformen. Das Gremium spricht von einem „strukturellen Zusammenbruch“ des Staates und legt konkrete Vorschläge für eine inklusive, demokratische Lösung vor.

Aufruf zu nationalem Dialog und demokratischer Neuordnung
 
ANF / RAQQA, 22. Juli 2025.

Der Demokratische Syrienrat (MSD) hat sich mit deutlichen Worten zu der Welle der Gewalt in der südsyrischen Provinz Suweida geäußert. In einer ausführlichen Erklärung macht die Organisation die politische und institutionelle Krise Syriens für die Eskalation verantwortlich und fordert eine umfassende nationale Lösung auf der Grundlage von Dialog, Dezentralisierung und gleichberechtigter Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen.

Die Stellungnahme folgt auf mehrtägige Angriffe und Kämpfe in der drusisch geprägten Region Suweida, bei denen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bislang fast 1.300 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden. Unter den Todesopfern seien rund 800 Drus:innen, darunter auch etwa 200 Menschen, die von Truppen der islamistischen Übergangsregierung hingerichtet wurden.

Der MSD erklärte, man beobachte die schwere Gewalt mit „großer Sorge“, da sie nicht nur das gesellschaftliche Gefüge bedrohe, sondern auch eine gefährliche Signalwirkung für andere Regionen habe. „Diese Entwicklungen sind das Ergebnis jahrzehntelanger Repression, politischer Ausgrenzung und institutionellen Versagens“, so der MSD. Die Organisation sieht die Eskalation als symptomatisch für den Zustand eines Landes, das weder politische Teilhabe noch kulturelle Vielfalt institutionell gewährleiste. Besonders die drusische Gemeinschaft in Suweida sei wie andere Minderheiten Ziel von Diskriminierung, wirtschaftlicher Vernachlässigung und fehlendem Schutz durch den Staat geworden.

Forderung nach tiefgreifender Neuordnung

Der MSD ruft in seiner Stellungnahme zu einem grundlegenden politischen Wandel auf, um einen weiteren Zerfall Syriens zu verhindern. Notwendig sei eine umfassende nationale Konferenz, an der alle demokratischen Kräfte, gesellschaftlichen Gruppen und ethnisch-religiösen Gemeinschaften teilnehmen. Im Zentrum müsse eine neue Verfassung stehen, die auf Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Dezentralisierung und gegenseitigem Respekt beruhe.

Die Organisation betont, dass ein solcher Prozess nur gelingen könne, wenn er inklusiv gestaltet und von echtem Willen zum Ausgleich getragen sei: „Ein politischer Ausweg aus der Krise kann nur durch einen umfassenden gesellschaftlichen Konsens erfolgen – gestützt auf den Prinzipien des Dialogs, der Gerechtigkeit und des gemeinsamen Zusammenlebens.“

Sechs zentrale Punkte für eine Lösung

In der Erklärung legt der MSD sechs konkrete Leitlinien für den weiteren politischen Weg vor:

▪ Verurteilung von Gewalt: Alle bewaffneten Konflikte, insbesondere gegen Zivilist:innen, seien umgehend zu beenden. Verantwortliche müssten in fairen, transparenten Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden.

▪ Einberufung eines nationalen Dialogs: Es müsse ein breiter Dialogprozess gestartet werden, der in eine nationale Konferenz mündet und den Grundstein für eine neue politische Ordnung legt – demokratisch, föderal und gerecht.

▪ Ablehnung sektiererischer Spaltung: Der MSD warnt ausdrücklich vor einer weiteren ethnischen und religiösen Fragmentierung. Diese bedrohe das Überleben Syriens als pluralistische Gesellschaft.

▪ Stopp politischer und medialer Provokationen: Eskalierende Rhetorik müsse unterlassen werden. Nur ein respektvoller öffentlicher Diskurs könne das Vertrauen zwischen den Gemeinschaften wiederherstellen.

▪ Verantwortung internationaler Akteure: Regionale und internationale Kräfte müssten aufhören, die Krise für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Jegliche Einmischung, die Gewalt fördere oder Konflikte vertiefe, sei strikt abzulehnen.

▪ Inklusive, verfassungsbasierte Lösung: Der MSD fordert eine politische Lösung, die alle Bevölkerungsgruppen berücksichtigt – mit dem Ziel, ein Syrien zu schaffen, das multinational, multikulturell und multireligiös ist und auf Gleichheit, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit basiert.

Appell an alle Kräfte: „Gemeinsame Verantwortung für ein neues Syrien“

Abschließend richtet das Gremium einen eindringlichen Appell an die nationale Öffentlichkeit: „Wir rufen alle patriotischen Kräfte auf, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam den Weg in ein friedliches, stabiles und demokratisches Syrien zu ebnen.“ Nur mit einem neuen politischen Bewusstsein und strukturellen Reformen könne das Land aus der „Spirale von Krieg, Repression und Zerstörung“ herausgeführt werden. In diesem Sinne sehe sich der MSD weiterhin als aktiver Akteur in der Suche nach einem gerechten, zukunftsfähigen Gesellschaftsvertrag für ganz Syrien.

 

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