Nordostsyrien soll durch Attentate destabilisiert werden
Immer wieder kommt es zu gezielten Tötungen von prominenten Persönlichkeiten aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Ostsyriens. Die Morde zielen offensichtlich darauf ab, die Menschen gegeneinander sowie gegen die Selbstverwaltung aufzubringen.
Unbekannte haben am Sonntag Scheich Muttshar al-Hifil, einen der Stammesältesten des großen Okaidat-Stammes, in der ostsyrischen Region Deir ez-Zor erschossen. Ein weiterer Ältester des Stammes, Scheich Ibrahim al-Hifil, wurde verletzt. Die Täter hatten von Motorrädern aus das Feuer aus automatischen Waffen eröffnet. Der Angriff ereignete sich im Außenbezirk von al-Hawayej im Osten von Deir ez-Zor.
Serie von Attentaten
Dieser Mordanschlag ist kein Einzelfall, sondern Teil einer Serie von Attentaten auf prominente Persönlichkeiten in der von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) geschützten Region Deir ez-Zor. So war der Stammesführer Suleiman al-Qassar im Distrikt Basira in Deir ez-Zor am 30. Juli von Unbekannten erschossen worden. Er gehörte ebenfalls zu den führenden Persönlichkeiten des Stammes der Okaidat. Auch hier wurde Anschlag von zwei Personen auf einem Motorrad durchgeführt. Am 31. Juli wurde Ali al-Weiss, Bürgermeister der Kleinstadt Dahlah, östlich von Deir ez-Zor von Unbekannten erschossen. Der Politiker, der zugleich Oberhaupt eines Familienverbands in der Region war, befand sich auf dem Weg zur Moschee, um die Freitagspredigt zu halten.
IS-Zellen hinter den Anschlägen?
Hinter den Anschlägen werden Schläferzellen des sogenannten Islamischen Staat (IS) vermutet. Die Morde erinnern an die tödlichen Anschläge, die in den letzten Jahren in Zusammenarbeit des türkischen Geheimdienstes MIT mit dem IS in der Region durchgeführt wurden: 2013 wurde Isa Husso ermordet, im März 2018 Omar Alloush, der Mitglied im Zivilrat von Raqqa und im Demokratischen Syrienrat (MSD) war. Im November 2018 wurde Bashir Fasil al-Huwaidi, ein Scheich des Al-Afadleh-Stammes, in seinem Auto in Raqqa erschossen. Im Dezember 2018 wurde ein tödliches Attentat auf Mervan al-Fiteyih, Ko-Vorsitzender des Zivilrats von Deir ez-Zor, verübt.
IS veröffentlichte Drohvideo gegen Stammesälteste
Die aktuellen Angriffe folgten auf Treffen zwischen Stammesführern mit der QSD-Führung. Unter diesen Stammesführern befanden sich prominente Mitglieder der Stämme Okaidat und Baggara.
Thomas McClure vom Rojava Information Center erklärt dazu gegenüber Kurdistan24: „In der vergangenen Woche haben diese Angriffe zugenommen und zielten insbesondere auf recht hochrangige, angesehene Persönlichkeiten in der Region.“ Er fährt fort: „Der IS hat kürzlich ein Propagandavideo veröffentlicht, das Aufnahmen von arabischen Stammesführern verwendet, die sich mit QSD-Vertretern, unter ihnen der Generalkommandant Mazlum Abdi Kobanê, getroffen haben. Sie wurden gewarnt, dass er [der IS] speziell Personen angreifen werde, die sich dafür entscheiden, mit der militärischen und zivilen Verwaltung Nordostsyriens zusammenzuarbeiten.“ Dabei gehe es darum, Spannungen unter den Bevölkerungsgruppen zu erzeugen. Der Experte erklärt: „Nicht nur der IS versucht das. Auf verschiedene Weise verfolgen auch die türkische und die syrische Regierung dieses Ziel.“
Selbstverwaltung: Reaktion auf Operation gegen IS-Zellen
Die Selbstverwaltung sieht in den Angriffen eine Reaktion auf die erfolgreiche abgeschlossene Festnahmeoperation gegen IS-Zellen in der Region Deir ez-Zor. Währenddessen seien „die von Geheimdiensten geführten Banden“ zu Angriffen auf prominente Persönlichkeiten übergegangen, heißt es in einer Erklärung der Selbstverwaltung: „Kräfte, die dem Projekt der Autonomieverwaltung feindlich gegenüberstehen, haben versucht, der Selbstverwaltung und den QSD die Verantwortung für die Attentate zuzuschieben.“ Die Selbstverwaltung spielt hier auf die staatlichen türkischen Nachrichtenagenturen an, die versuchten, die Morde als „Strafaktionen der YPG/PKK“ darzustellen. Die Selbstverwaltung betrachtet das Attentat als einen „erfolglosen Versuch, die Geschwisterlichkeit und das Zusammenleben unter den Völkern Nordsyriens zu zerstören“. Sie kündigt Operationen gegen den IS an und betont, weiterhin an der Verteidigung einer basisdemokratischen Selbstverwaltung festzuhalten.
Neue Anti-IS-Offensive
Aufgrund der Angriffe haben die QSD am Mittwochmorgen bekanntgegeben, erneut eine großangelegte Operation gegen den IS gestartet zu haben. Die QSD erklärten, die Operation sei vor allem aufgrund der neuen Angriffswelle des IS begonnen worden. Der IS versuche, die Menschen der Region durch Attentate auf prominente Persönlichkeiten in Konflikte zu stürzen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen