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Türkei: Parlamentarische Kommission diskutiert rechtlichen Rahmen


Die im Parlament eingerichtete „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ hat gestern in ihrer sechsten Sitzung Vorsitzende der Anwaltskammern angehört, um einen geeigneten rechtlichen Rahmen für den Prozess zu diskutieren.

Anhörung der Vorsitzenden der Anwaltskammern
 
ANF / ANKARA, 28. Aug. 2025.

Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş (AKP), unter dessen Vorsitz die im türkischen Parlament eingerichtete „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ zu Lösung der kurdischen Frage arbeitet, hat gestern deren sechste Sitzung eröffnet. Im Zentrum stand dabei die Diskussion der Ausarbeitung eines geeigneten Rechtsrahmens mit den Vorsitzenden der Anwaltskammern.

Neben dem Vorsitzenden der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern der Türkei (TBB), Erinç Sağkan, waren die Vorsitzenden der Kammern aus zehn türkischen und kurdischen Provinzen geladen.

In seiner Eröffnungsrede betonte Kurtulmuş den bisher positiven Verlauf des Friedens- und Demokratisierungsprozesses und bewertete die bisherige Kommissionsarbeit als erfolgreich. Die Türkei habe nach nur neun Monaten einen Fortschritt erreicht, für den andere Länder vier oder fünf Jahre gebraucht hätten. Weiter erklärte er, dass die Schaffung eines für den Prozess geeigneten rechtlichen Rahmens „unvermeidlich“ sei, und fügte hinzu: „Wir glauben, dass die Beiträge der türkischen Rechtsgemeinschaft, insbesondere der Anwaltskammer, in diesem Rahmen sehr wertvoll und nützlich sein werden.“

Weiter wiederholte er die Bedeutung der gesellschaftlichen Akzeptanz für den Erfolg der Kommission und erinnerte alle Mitglieder und Parteien an ihre diesbezügliche Verantwortung. In diesem Sinne sei es wichtig, den Einbezug der „Beiträge ihrer [der Gesellschaft] verschiedenen Segmente sicherzustellen“.

Numan Kurtulmuş wies darauf hin, dass die Friedensmütter, die Samstagsmütter und die Angehörigen von Gefallenen in der Sitzung der vergangenen Woche angehört wurden, und erklärte: „Sie alle sagten: ‚Wir haben den Preis bezahlt, aber die Kinder dieser Nation sollten das nicht mehr tun müssen. Wir haben unsere Kinder begraben. Jetzt wollen wir unsere Waffen begraben, nicht unsere Kinder.‘“

Anhörung der Anwaltskammern

In der folgenden Anhörung sprach auch der Präsident der Anwaltskammer Amed (tr. Diyarbakır), Abdulkadir Güleç, und betonte insbesondere die historische Notwendigkeit einer neuen Verfassung. Er stellte eine Vielzahl von Lösungen vor, von der Freilassung politischer Gefangener über das Recht auf Bildung in der Muttersprache bis hin zur Situation kranker Gefangener. Außerdem forderte er die Kommission auf, einen Beitrag zum Demokratisierungsprozess der Türkei und zur friedlichen Lösung der kurdischen zu leisten, indem sie eine aktive Rolle bei den durchzuführenden Arbeiten übernimmt.

Güleç begann seine Rede mit einem Gedenken an Tahir Elçi, den Präsidenten der Anwaltskammer von Amed, der 2015 ermordet wurde, und sagte „Ich hoffe, dass die Täter vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht zur Verantwortung gezogen werden und dass eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattfindet.“

Die Vernichtung von Waffen öffnete die Tür zum sozialen Frieden

In Bezug auf den Entwaffnungsprozess erklärte Güleç, dass die Vernichtung der Waffen durch die PKK einen Wendepunkt darstellte und die Tür zum sozialen Frieden öffnete. „Es sollte ein spezielles Gesetz für die Wiedereingliederung von Tausenden von Menschen in die Gesellschaft verabschiedet werden, die heute in Gefängnissen sitzen oder als Bürger:innen im europäischen Exil leben“, hob er hervor.

Die Kommission sollte die Sprache des Friedens und der Lösung sprechen

Güleç merkte an, dass die legitimen Forderungen der Kurd:innen aufgrund von Missverständnissen seit Jahren abgelehnt und mit Hassreden beantwortet würden, und fügte hinzu: „Die Kommission sollte spaltende Rhetorik ablehnen und die Sprache des Friedens und der Lösung sprechen. Was diese Gesellschaft am meisten braucht, ist, einander zuzuhören und zu verstehen.“

Der Staat muss Frieden mit den Kurd:innen schließen

Weiterhin kritisierte er die Kommission dafür, dass sie den Friedensmüttern während der fünften Sitzung am 20. August untersagt hatte, sich auf Kurdisch zu äußern, und erklärte: „Es ist ein Grundrecht einer Mutter, ihren Schmerz über ihr Kind in der Sprache auszudrücken, die sie am besten beherrscht. Hätte das Parlament dies zugelassen, wäre dies ein sehr wertvoller Schritt zur Normalisierung des Kurdischen und zu seiner Etablierung als Sprache des Friedens gewesen. Der Staat muss nun Frieden mit dem Kurdischen schließen.“

Vorschriften zur Freilassung kranker Häftlinge sind besonders wichtig

Entscheidungen des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssten von der Türkei umgesetzt werden, konstatierte Güleç und forderte dementsprechend die Freilassung von Selahattin Demirtaş, Osman Kavala, Can Atalay, Figen Yüksekdağ und vielen anderen politischen Gefangenen. Insbesondere müssten dringend Vorschriften erlassen werden, die die Freilassung kranker Häftlinge ermöglichen, fügte er hinzu.

Eine neue Verfassung ist eine historische und soziale Notwendigkeit

Güleç wies auch darauf hin, dass die Türkei seit 45 Jahren durch eine Verfassung aus der Zeit des Staatsstreichs regiert wird, und erklärte, dass sie dementsprechend keinen sozialen Frieden garantieren kann. „Eine neue Verfassung ist keine Option mehr, sondern eine historische und soziale Notwendigkeit“, sagte er und merkte an, dass die Umsetzung des dezentralen Geistes der Verfassung von 1921 auch den Weg für den Unterricht in der Muttersprache ebnen würde.

Forderung nach rechtlichen Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt

Schließlich stellte Güleç in den Raum, dass das Parlament zu einem Mechanismus werden solle, in dem nicht nur die Regierungspartei, sondern auch die Opposition eine aktive Rolle spielen könne. Er forderte die Aufhebung der Vorbehalte gegenüber der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, der UN-Konvention über die Rechte des Kindes und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und betonte die Notwendigkeit wirksamer rechtlicher Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt.

 

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