„Sie töten Zivilist*innen, brennen nieder, sprengen alles – das ist Terror!“
In Suweida eskaliert die Gewalt: Mehrere Parteien liefern sich schwere Gefechte. Den Preis dafür zahlt wieder einmal die Zivilbevölkerung.
In der südwestlichen Provinz Suweida in Syrien eskaliert die Gewalt seit Tagen: Nach verheerenden Gefechten zwischen Drusen-Milizen, Regierungstruppen und beduinischen Gruppen sind in den letzten Tagen zahlreiche Menschen getötet worden, darunter Zivilist*innen und ganze Familien, Betroffene berichten von öffentlichen Hinrichtungen, dem gezielten Beschuss von Wohnvierteln sowie massiven Zerstörungen. In den Sozialen Medien kursieren Videos, die brutale Menschenrechtsverletzungen zeigen, vor allem gegen die drusische Zivilbevölkerung in der Region.
Für sie ergibt sich ein Bild der Verzweiflung: Ausgangssperren, Internetausfälle, zerstörte Häuser, verbrannte Kirchen – und täglich neue Tote. Die Strom- und Wasserversorgung ist unterbrochen. Berichten zufolge können Krankenhäuser keine lebensnotwendigen Operationen mehr durchführen, weil es ihnen an medizinischem Material und Medikamenten fehlt. Viele Zivilist*innen versuchen, über die jordanische Grenze zu fliehen. Doch diese ist nicht geöffnet, die Bevölkerung ist praktisch eingeschlossen. So lauten die Hilferufe aus Suweida:
„Bitte tut etwas! Holt uns hier raus! Es gibt Hinrichtungen auf offener Straße und schweren Beschuss! Das Internet wird immer wieder gekappt. Bitte, holt uns schnell raus!“
Was ist passiert?
Auslöser der Kämpfe war offenbar die Entführung und Misshandlung eines drusischen Händlers an einem inoffiziellen Kontrollpunkt, den beduinische Milizen auf der Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Suweida errichtet hatten. Der Übergriff – bei dem der Mann nicht nur ausgeraubt, sondern offenbar auch religiös beleidigt und schwer verletzt wurde – löste weitreichende Empörung in der Region aus und führte zu einer Welle von Vergeltungsaktionen.
Drusische bewaffnete Gruppen reagierten mit Verschleppungen und blockierten den Zugang zur Stadt. Innerhalb kürzester Zeit weitete sich die Gewalt auf mehrere Ortschaften in der Umgebung aus. Einheiten riegelten die Verbindungsstraße zwischen Damaskus und Suweida vollständig ab und verhängten eine nächtliche Ausgangssperre.
Die syrische Regierung entsandte daraufhin Truppen vorgeblich, um die Lage zu beruhigen. Doch statt zu deeskalieren, kam es zu gewaltsamen Übergriffen in Dörfer und Stadtteile von Suweida. Videos, Fotos und Augenzeugenberichte bestätigen, dass schwere Menschenrechtsverletzungen u. a. von offiziellen syrischen Militär verübt wurden: Menschen wurden willkürlich verhaftet, misshandelt und getötet. Augenzeug*innen berichten von standrechtlichen Hinrichtungen, schwerem Beschuss und niedergebrannten Häusern.
Trotz zwischenzeitlich angekündigter Waffenruhe dauern die Kämpfe an – ebenso wie die Gewalt und Repressionen gegen die Zivilbevölkerung.
Übergangspräsident Ahmed Al-Sharaa äußerte sich heute besorgt und versprach der drusischen Minderheit Schutz. Doch angesichts der eskalierenden Lage und der bereits verübten Verbrechen durch eigene Truppen wirkt dieses Versprechen zynisch. Statt Sicherheit zu gewährleisten, riskiert sie erneut das Leben der eigenen Bevölkerung.
Bereits beim Massaker an der alawitischen Bevölkerung in der Küstenregion blieb die versprochene Aufklärung aus – bis heute gibt es keine nennenswerten Ermittlungsergebnisse. Auch jetzt versagen staatliche Institutionen auf ganzer Linie: Es fehlt an Schutz, an Aufarbeitung, an politischer Verantwortung. Das brutale Vorgehen in Suweida offenbart einmal mehr, wie wenig der Schutz von Minderheiten und Zivilist*innen in Syrien politisch zählt – und wie sehr staatliche Gewalt selbst zur Eskalation beiträgt.
„Die Lage in Suweida ist katastrophal. Der Einmarsch hat nichts als Verwüstung hinterlassen, die Bevölkerung wurde sich selbst überlassen. Ich weiß nicht, wohin das alles führen soll. Und ehrlich gesagt: Ich glaube nicht, dass es überhaupt irgendwohin führt.“
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Warum greift Israel an?
Zu allem Überfluss greift Israel wieder militärisch in die Situation ein – nicht nur in Suweida. Ein israelischer Luftschlag traf das syrische Militärhauptquartier in Damaskus. Dieser und weitere Angriffe auf Stellungen der Regierung passieren unter dem Vorwand, die Drus*innen schützen zu wollen.
Der Angriff erfolgte nicht nur völkerrechtswidrig, sondern verschärft die ohnehin explosive Lage vor Ort. Solche Aggressionen schüren Ängste in einer Region, die bereits durch Spannungen und die Wiederholung massiver Gewalttaten traumatisiert ist. Aktuell droht Israel, dass weitere Angriffe folgen werden.
Was jetzt passieren muss
Wir verurteilen diese Eskalationen aufs Schärfste. Jetzt, wo Zivilist*innen in Suweida um ihr Überleben kämpfen, braucht es Deeskalation, Schutz und internationale Vermittlung.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich einzusetzen für:
- Die sofortige Einrichtung eines humanitären Korridors nach Jordanien, um sichere Fluchtwege für Zivilist*innen zu gewährleisten
- Ein sofortiges Ende der Gewalt und den wirksamen Schutz aller Minderheiten
- Den Zugang zu medizinischer Versorgung und humanitärer Hilfe – koordiniert mit internationalen Organisationen
- Eine klare politische Haltung gegen jede weitere Eskalation – auch gegen die völkerrechtswidrige Einmischung Israels

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