Iran: Massive Hinrichtungswelle gegen politische Gefangene befürchtet
Die plötzliche Hinrichtung zweier politischer Gefangener hat bei Menschenrechtsgruppen Alarm ausgelöst. Sie zeigen sich höchst besorgt hinsichtlich des Schicksals Tausender, die noch immer in iranischen Gefängnissen festgehalten werden.
Die Befürchtungen wachsen, dass der iranische Staat sich darauf vorbereitet, das Massaker von 1988 zu wiederholen, bei dem Tausende politische Gefangene hingerichtet wurden. Menschenrechtsaktivist:innen und oppositionelle Quellen berichten von einem Anstieg der Hinrichtungen und warnen, dass die systematische Unterdrückung durch den Staat den Boden für ein weiteres Massaker bereitet.
Am Sonntagmorgen wurden zwei politische Gefangene, der 48-jährige Mehdi Hasani und der 70-jährige Behrouz Ehsani, ohne vorherige Ankündigung hingerichtet, was die Befürchtungen vor einer drohenden Kampagne massiver Gewalt weiter verschärft. Die Hinrichtungen wurden Berichten zufolge ohne Benachrichtigung der Familien durchgeführt, und die Leichen wurden nicht zurückgegeben, sondern heimlich beigesetzt. Hasani und Ehsani waren während der Proteste nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Jahr 2022 verhaftet worden.
„Klima der Straflosigkeit ermutigt das Regime“
Berichten zufolge werden Hinrichtungen zunehmend als öffentliches Mittel der Einschüchterung eingesetzt, angeblich auf direkten Befehl des obersten iranischen Führers Khamenei.
Der Menschenrechtsaktivist Saeed Masouri, der seit 25 Jahren inhaftiert ist, schrieb in einem Brief aus dem Gefängnis, dass das Regime Gefangene nicht mehr durch formelle „Todesurteile“ hinrichtet, sondern nun durch willkürliche Tötungsbefehle. Masouri wurde kürzlich mit verdecktem Gesicht aus seiner Zelle geholt und gewaltsam in das Gefängnis von Zahedan verlegt, das weithin für Folter und Misshandlungen bekannt ist.
Dowlat Nowrouzi, Vertreterin des Nationalen Widerstandsrats des Iran (NCRI) im Vereinigten Königreich, kritisierte die internationale Gemeinschaft dafür, dass sie keine wirksamen Maßnahmen gegen die vom iranischen Regime begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ergriffen habe: „Dieses Klima der Straflosigkeit ermutigt das Regime nur dazu, neue Massaker zu verüben.“
Angst vor einer Wiederholung von 1988
Die Gefahr wurde in diesem Monat erneut deutlich, als die staatlich kontrollierte Nachrichtenagentur Fars offen eine Wiederholung der politischen Massenhinrichtungen von 1988 rechtfertigte, wobei innerhalb eines Jahres etwa 30.000 politische Gefangene hingerichtet wurden.
Amnesty International äußerte sich besorgt, dass die jüngsten Hinrichtungen in Verbindung mit diesen Forderungen der iranischen Staatsmedien den Beginn einer umfassenderen Kampagne der Todesstrafe signalisieren könnten.
Der Iran ist nach wie vor das Land mit der weltweit höchsten Zahl an Hinrichtungen, allein im Jahr 2024 wurden offiziell fast 1.000 Todesurteile vollstreckt. Aktivist:innen befürchten, dass diese Zahl im Jahr 2025 noch weiter steigen könnte.
Menschenrechtsaktivist:innen warnen, dass das iranische Regime eine neue Welle von Massenhinrichtungen vorbereitet, und betonen, dass die internationale Gemeinschaft dies nicht schweigend hinnehmen darf. Sie argumentieren, dass das Regime versucht, seinen inneren strukturellen Zusammenbruch zu verschleiern, indem es die schwächsten Teile der Gesellschaft ins Visier nimmt.
Amnesty International verurteilt geheime Hinrichtungen im Iran
Nach den geheimen Hinrichtungen von Ehsani und Hasani am 27. Juli 2025 veröffentlichte Amnesty International eine Erklärung, in der die zunehmende Welle politischer Unterdrückung und Hinrichtungen im Iran hervorgehoben und ein sofortiger Stopp aller Hinrichtungen im Land gefordert wurde.
Kristine Beckerle, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, erklärte, dass beide politischen Gefangenen heimlich hingerichtet worden seien, ohne dass ihre Familien oder sie selbst darüber informiert worden seien, und dass ihnen ihr Recht auf ein faires Verfahren vollständig verweigert worden sei. Ehsani und Hasani sei fast zwei Jahre lang der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert worden, und sie seien gezwungen gewesen, sich in einem Scheinprozess, der nur fünf Minuten dauerte, selbst zu vertreten. Die wichtigsten Beweise gegen sie bestanden aus erzwungenen „Geständnissen“, die durch Folter und Druck erlangt worden waren.
„Dienstags gegen Hinrichtungen“ im Visier
Laut Amnesty International führten Ehsani und Hasani während ihrer Haftzeit im Rahmen der Kampagne „Dienstags gegen Hinrichtungen“ wöchentlich einen friedlichen Protest gegen die Todesstrafe durch, indem sie in den Hungerstreik traten. Diese Kampagne sei zum Ziel der umfassenden Bemühungen der iranischen Behörden geworden, abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen. Beckerle kommentierte: „ Diese Hinrichtungen zeigen deutlich, wie die iranischen Behörden die Todesstrafe als Instrument der politischen Unterdrückung einsetzen.”
Außenpolitische Spannungen verstärken innere Repression
Die Organisation stellte außerdem fest, dass die Repressionen im Iran nach der Eskalation der Spannungen mit Israel im Juni zugenommen haben. Die Atmosphäre der Unterdrückung im Iran umfasst weitaus mehr als die Einschüchterung mittels Hinrichtungen. Erst letzten Monat wurden Berichten zufolge etwa 700 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zu einem „Spionagenetzwerk“ verhaftet. Willkürliche Verhaftungen und der weit verbreitete Einsatz von Folter in Haftanstalten sind zunehmend an der Tagesordnung. Gerichtsverfahren wurden beschleunigt, und ein Gesetzentwurf, der die Verhängung von Todesurteilen erleichtern würde, wurde dem Parlament zur Verabschiedung vorgelegt.
Weitere gefährdete Gefangene
Amnesty International hat die Namen von mindestens 19 Personen veröffentlicht, denen derzeit aus politischen Gründen die Hinrichtung droht. Unter ihnen sind Ahmadreza Djalali, ein schwedisch-iranischer Wissenschaftler, der nach einem israelischen Angriff verschwunden ist, sowie die drei Frauenrechtsaktivistinnen: Pakshan Azizi, Varisheh Moradi und Sharifeh Mohammadi.
Mindestens neun Personen, die mit den „Jin, Jiyan, Azadî”-Protesten in Verbindung stehen, droht ebenfalls die Todesstrafe, ebenso wie sechs weiteren Personen, die mit den „Volksmudschaheddin“ in Verbindung stehen. Zu den gefährdeten Personen gehören Fazel Bahramian, Mehran Bahramian, Abolhassan Montazer und Vahid Bani Amerian.
Mindestens 13 weitere Personen seien laut Amnesty International vermutlich unmittelbar von der Hinrichtung bedroht. Die Menschenrechtsorganisation forderte die internationale Gemeinschaft auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen.

Kommentare
Kommentar veröffentlichen