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Ezidische Verbände protestieren gegen Zwangsislamisierung in Efrîn


Ein Video von der Zwangsislamisierung zweier Eziden im türkisch besetzten Efrîn hat Empörung in Nordsyrien und Europa ausgelöst. Ezidische Verbände fordern Konsequenzen, die GfbV sieht die Bundesregierung in der Verantwortung.

Seit Ende vergangener Woche kursiert in digitalen Medien ein Video, in dem zwei Eziden in Efrîn von Angehörigen der dschihadistischen Söldnertruppen der Türkei dazu gedrängt werden, einzeln das islamische Glaubensbekenntnis nachzusprechen. Laut ANHA handelt es sich bei den ezidischen Männern um Heyder Arif und Şêxo Arif aus dem Dorf Qibar, das wenige Kilometer nordöstlich der Stadt Efrîn liegt.

Die Aufnahmen haben großen Protest in der ezidischen Community ausgelöst. Mitglieder der Ezidischen Union aus Efrîn, die seit der türkischen Invasion im Jahr 2018 als Vertriebene im benachbarten Kanton Şehba leben, verurteilten am Sonntag im Camp Serdem das Vorgehen der Besatzungsmacht und erklärten, dass sich die türkischen Söldnergruppen in Efrîn nicht vom „Islamischen Staat“ (IS) unterscheiden. Sûad Hiso vom Ezidischen Frauenverband Rojava sagte, dass die Maßnahmen in Efrîn derselben Mentalität wie bei dem vom IS 2014 in Şengal begangenen Völkermord entsprechen. Die Aktivistin rief die internationale Gemeinschaft auf, die Verbrechen an der ezidischen Bevölkerung in Efrîn zu stoppen.

Protest ezidischer Verbände in Europa

Auch in Europa haben ezidische Verbände auf die Zwangsislamisierung in der türkischen Besatzungszone in Nordsyrien hingewiesen. Mit der völkerrechtswidrigen Besatzung durch die Türkei vor fünf Jahren seien erneut mehrere Tausend Ezid:innen der Unterdrückung durch Dschihadisten ausgesetzt worden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Zentralverbands der êzîdischen Vereine in Deutschland (NAV-YÊK e.V.) und des Dachverbands der êzîdischen Frauenräte (SMJÊ e.V.): „Seitdem das Gebiet Efrîn durch die Türkei annektiert ist, geht die massive Verfolgung und Zwangsislamisierung der Terrorbanden gegen die Ezidinnen und Eziden weiter. Es ist jüngst ein Video veröffentlicht worden, in dem die Ablegung des islamischen Glaubensbekenntnisses von zwei ezidischen Männern erzwungen wird. Die völlige Kontrolle über Efrîn hat die Türkei bewusst Islamisten überlassen, so dass gezielt eine Unterdrückungspolitik gegenüber den nicht-muslimischen Minderheiten, zu denen auch die Eziden gehören, verfolgt wird. Ezidinnen und Eziden werden systematisch aus der Region vertrieben, die Menschen werden mit Entführungen zu Lösegeldzahlungen erpresst, Dörfer werden verwüstet, heilige Stätten werden zerstört und unschuldige Zivilpersonen ermordet. Gegen die ezidische Bevölkerung wird eine regelrechte Säuberung betrieben.“

In der Erklärung wird auf die Anerkennung des Genozids in Şengal durch den deutschen Bundestag und weiterer Länder hingewiesen. Verantwortlich für die Verbrechen an der ezidischen Gemeinschaft sei an „erster Stelle die Türkei, welche NATO-Mitglied ist. Darum trägt der Westen für all diese Machenschaften von Erdogan und seinen verbündeten dschihadistischen Banden in der Region eine Mitverantwortung. Wir rufen die demokratische Öffentlichkeit auf, ihre Stimme gegen diese systematisch betriebene Barbarei zu erheben, die gegen unsere Gemeinschaft und andere Ethnien in einer zielgerichteten Weise anhält.“

Der Erklärung haben sich der Exilrat der Eziden aus Sinjar (MŞD e.V.), das Bündnis der Êzidischen Jugend (HCÊ e.V.), das Êzîdische Zentrum für Kunst und Kultur (NÇÊ e.V.), das Bündnis der Êzîden Syriens (HÊS e.V.), der Dachverband der êzîdischen Dorfräte (SMGÊ) und die Union der Syrischen Eziden (YÊS e.V.) angeschlossen.

GfbV: Bundesregierung muss Unterstützung der Islamisten in Efrîn einstellen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bestätigte die Echtheit des besagten Videos und forderte Konsequenzen von der Bundesregierung. „Der türkische Präsident Erdogan will, dass im syrischen Grenzgebiet zur Türkei nur noch sunnitische Muslime leben dürfen. Gläubige anderer Religionen und Angehörige der kurdischen Minderheit hat er weitgehend vertreiben lassen“, sagte Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV, heute in Göttingen. „Wer nicht fliehen wollte, ist seitdem einer gewaltsamen Islamisierungskampagne ausgesetzt. Nicht-Muslime werden mit dem Tod bedroht, wenn sie nicht konvertieren wollen.“

Laut Sido wurden die beiden betroffenen Eziden „in den vergangenen Jahren immer wieder erpresst und mit dem Tod bedroht. Nun wurden sie vor die Wahl gestellt: Islam oder Tod“. Für die Islamisten sei das Ezidentum keine ‚Buchreligion‘. Nach einer radikalen Auslegung des Korans bleibe ihnen daher nur die Wahl zwischen Konversion oder Tod.

In diesem Zusammenhang wiederholte die GfbV ihre Forderung an die deutsche Bundesregierung, die politische, diplomatische und vor allem finanzielle Unterstützung der Islamisten in Efrîn und in ganz Syrien einzustellen. Die besagten Milizen seien der bewaffnete Arm der protürkischen syrischen Oppositionsgruppe „Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“, die vom Auswärtigen Amt unterstützt werde.

 

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