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Operation in Camp Hol abgeschlossen: 226 Festnahmen


Die Operation gegen IS-Strukturen im nordsyrischen Auffang- und Internierungslager Hol ist zu Ende. Die Sicherheitskräfte der Autonomieverwaltung haben die Ergebnisse bekannt gegeben und die internationale Gemeinschaft zur Verantwortung aufgerufen.

Die Sicherheitsoperation in Camp Hol ist beendet worden. Das hat die Kommandantur der Sicherheitskräfte von Nord- und Ostsyrien (Asayîş) auf einer Pressekonferenz in dem Auffang- und Internierungslager in der Nähe von Hesekê mitgeteilt. Die Gefahr durch die Zellen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sei jedoch noch nicht gebannt, betonen die Sicherheitskräfte und weisen auf die engen Verbindungen zwischen dem IS und der Türkei hin. Die IS-Zellen werden aus der türkischen Besatzungszone in Nordsyrien unterstützt und angeleitet, so die Asayîş-Kommandantur, die die internationalen Mächte dazu auffordert, ihrer Verantwortung hinsichtlich der IS-Gefahr nachzukommen.

An der Pressekonferenz nahmen auch Kommandant:innen der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und ihrer Mitgliedsverbände YPJ und YPG teil. Bei dem am 25. August gestarteten Einsatz in Camp Hol handelte es sich um die zweite Phase der „Humanitären Sicherheitsoperation“, die im Frühjahr des vergangenen Jahres unter dem Eindruck terroristischer Anschläge gegen Bewohnerinnen und Bewohner, humanitäre Hilfsorganisationen und Sicherheitskräfte eingeleitet worden war.

Gedenken an gefallene QSD-Kämpfer

Im Namen der Sicherheitskräfte verlas Sozdar Xelîl eine Erklärung, in der sie zunächst den bei der Operation in Camp Hol bei einem Gefecht mit IS-Mitgliedern gefallenen QSD-Kämpfern Cesûr Xebat und Udey Cinêdiye gedachte. Weiter erklärte Sozdar Xelîl, dass das Lager 24 Tage lang durchsucht wurde, um IS-Zellen aufzuspüren und weitere islamistische Aktivitäten zu unterbinden. Die Operation sei mehrfach aufgrund der Angriffe der Türkei auf das nordostsyrische Autonomiegebiet verschoben worden, wovon der IS profitiert habe.

Warum die Operation notwendig war

„Die Operation wurde eingeleitet, nachdem die IS-Zellen immer mehr Tötungs- und Folterverbrechen an Lagerbewohner:innen begangen hatten, die sich weigerten, sich der Organisation anzuschließen oder sie zu unterstützen“, heißt es in der Erklärung der Sicherheitskräfte. Abweichler:innen seien zum Tode verurteilt oder gefoltert worden, allein in diesem Jahr wurden 44 Menschen in Camp Hol ermordet. „Die IS-Zellen haben viele Frauen und ihre Kinder als Abtrünnige abgestempelt, sie auf die Hinrichtungsliste gesetzt, sie unter Druck gesetzt und erpresst und sie gezwungen, dem IS die Treue zu schwören.“

226 Verhaftungen, darunter 36 Frauen

Bei der Operation seien 226 IS-Anhänger:innen festgenommen worden, darunter 36 Frauen. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, für die Verbrechen in Camp Hol und die Kommunikation mit IS-Verantwortlichen außerhalb des Lagers verantwortlich zu sein. Der IS habe sich hauptsächlich auf Frauen gestützt, „um die extremistische Ideologie des IS aufrechtzuerhalten und im Lager zu verbreiten. Aus diesem Grund haben IS-Frauen Lehrgänge und Kurse abgehalten, um Frauen und Kinder mit der IS-Ideologie zu indoktrinieren“, so die Erklärung. Kinder seien auf Selbstmordanschläge vorbereitet worden. Mit der Operation sei die Scharia-Struktur „Hisba“ zerschlagen worden. Es seien zahlreiche Kommunikationsgeräte und Dokumente gefunden worden, die Kontakte mit IS-Verantwortlichen in der türkischen Besatzungszone und Pläne zur Vorbereitung von Terroranschlägen und Fluchtversuchen belegen. So wurden auch die Namen und Adressen von drei Verantwortlichen für Geldtransfers entdeckt, diese wurden parallel zu der Operation in Camp Hol in der gleichnamigen Kleinstadt und in Hesekê gefasst.

Konfiszierte Waffen

Während der Operation seien zahlreiche Waffen beschlagnahmt worden, darunter „Bomben, mittelschwere Waffen, Schalldämpfer und Pistolen, die von IS-Zellen bei ihren Terroranschlägen verwendet wurden. Außerdem wurden zahlreiche unfertige Tunnel und Gräben freigelegt und zerstört, die von IS-Zellen genutzt wurden, um sich und ihre Waffen zu verstecken und die Flucht aus dem Lager vorzubereiten. Den Ermittlungen zufolge stammen die beschlagnahmten Waffen aus drei Quellen: Erstens waren einige humanitäre Helfer, insbesondere die Organisation Bahar, an der Einführung von Waffen und Geld sowie am Schmuggel von IS-Elementen und Frauen beteiligt. Zweitens wurden einige einzelne Waffen und Bomben von IS-Frauen und Kindern eingeführt, indem sie sich unter ihrer Kleidung und in ihrem Gepäck versteckten, als sie aus Bagouz transportiert wurden. Damals war es aufgrund der großen Zahl von Frauen und Kindern, der fehlenden Sicherheitstechnik und der schwierigen logistischen und sicherheitstechnischen Bedingungen unmöglich, diese Waffen zu entdecken. Drittens nutzte die Terrororganisation das zur Verfügung gestellte Material zur Herstellung von scharfen Waffen wie Dolchen, Messern, Bajonetten und grausamen Folterinstrumenten, um die Bewohner:innen einzuschüchtern und sie zu zwingen, sich zu ergeben.“

Sechs Frauen aus Gefangenschaft befreit

Im Zuge der Operation konnten die YPJ zwei ezidische Frauen aus der Gewalt der IS-Anhänger:innen befreien und in Sicherheit bringen. Die Sicherheitskräfte teilen dazu mit: „In den vergangenen vier Jahren wurden mehr als 200 ezidische Frauen und Kinder von den YPJ aus dem Lager gerettet. Die YPJ stießen dabei auf viele Hindernisse, es ist nicht leicht, diese Frauen zu erreichen und zu befreien. Das wichtigste davon ist die Angst der Frauen, ihre ezidische Identität preiszugeben. Sie geben sich als Ausländerinnen aus und passen sich dem Lebensstil der IS-Frauen an, um ihr Leben zu schützen.“ Das Auffinden von verschleppten Ezidinnen in und außerhalb des Lagers werde als grundlegende und strategische Mission betrachtet und die Suchaktionen würden bis zur Rettung aller betroffenen fortgesetzt.

In diesem Zusammenhang haben die YPJ auch vier nicht ezidische Frauen befreit, die von IS-Anhängerinnen angekettet und brutal gefoltert wurden. Die Ermittlungen zu den Hintergründen und Verantwortlichen dauern nach Angaben der Sicherheitskräfte noch an.

Der humanitäre Aspekt

Weiter heißt es in der Erklärung: „Unsere Kräfte, die während der Durchsuchungs- und Räumungsaktion echten Gefahren durch terroristische Zellen ausgesetzt waren, haben der Sensibilität der humanitären Aspekte innerhalb des Lagers Rechnung getragen und praktische Garantien dafür gegeben, dass die Bewohner:innen des Lagers weiterhin mit der gleichen Geschwindigkeit wie zuvor mit humanitärer Hilfe versorgt werden, und sie haben zusätzliche Hilfen aus den Kontingenten ihrer Mitglieder an einige bedürftige Familien verteilt.

Trotz der Provokationen durch IS-Zellen und insbesondere durch IS-Frauen, die versuchten, unsere Kräfte abzulenken und die Operation mit Nebenproblemen zu stören, um den Terrorzellen zu helfen, sich zu verstecken und zu fliehen, verlief die Operation ohne Fehler, abgesehen von einigen, die mit dem Mangel an ausreichender Sicherheitstechnik zusammenhängen. Die terroristischen Zellen versteckten sich, indem sie Frauenkleider trugen, was unsere Kräfte jedoch nicht daran hinderte, sie aufzuspüren, ihre Bewegungsfähigkeit zu lähmen und sie daran zu hindern, den Bewohner:innen Schaden zuzufügen.“

Internationale Aufgaben

Im Zuge der Operation seien viele Gefahren beseitigt worden, Camp Hol stelle dennoch weiterhin ein hohes Sicherheitsrisiko dar, betonen die Sicherheitskräfte: „Daher ist es notwendig, die internationale Gemeinschaft an ihre Pflichten zu erinnern, insbesondere nachdem sie in letzter Zeit die Schwere der Bedrohungen in dem Lager unterschätzt hat. In diesem Zusammenhang wiederholen wir unseren Aufruf an die Länder, deren Staatsangehörige sich in dem Lager aufhalten, diese zurückzuholen und sie nicht der Ausbeutung und Rekrutierung durch den IS zu überlassen.

Wir appellieren auch an die zuständigen internationalen Parteien, die organischen Beziehungen zwischen dem türkischen Geheimdienst und den IS-Zellen innerhalb und außerhalb des Lagers zur Kenntnis zu nehmen, und wir fordern sie auf, die Bewegungen der IS-Führer in den von der Türkei besetzten Gebieten zu behindern, insbesondere derjenigen, die für die Leitung und Anstiftung der Zellen im Lager verantwortlich sind. Die Ermittlungen bei den verhafteten Terroristen haben die enge Beziehung zwischen der türkischen Besatzung und diesen Zellen bestätigt, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung von Terroranschlägen oder die Versuche, die Terroristen und ihre Familien in die türkisch besetzten Gebiete zu schmuggeln, sie zu rehabilitieren und sie bei möglichen türkischen Invasionen gegen unsere Gebiete einzusetzen, so wie es bereits im Lager Ain Issa geschehen ist.

Wir warnen auch davor, das Risiko zu ignorieren, dass IS-Frauen unter dem Deckmantel der ,sozialen Unterstützung' durch inkompetentes Personal einiger im Lager tätiger Organisationen unüberlegt Zugang zu Geldern und Ressourcen erhalten und diese Mittel zu Propaganda- und Rekrutierungszwecken verwenden.“

Ergebnisse der Operation

Die Sicherheitskräfte erklären abschließend, dass der Kampf gegen IS-Strukturen weitergeht. Zu den Ergebnissen teilen die Sicherheitskräfte mit, dass 226 Personen festgenommen wurden, „darunter 36 extremistische Frauen, die in Mord- und Terrorismusdelikte verwickelt sind“. Es wurden 25 Tunnel und Gräben freigelegt und folgende Waffen sichergestellt:

Drei AK-47-Maschinengewehre, eine Panzerfaust mit zwei Granaten, zwei Pistolen, 25 Handgranaten, 25 kg TNT, elf Schalldämpfer, 388 Schuss AK-47, zehn Magazine der AK-47, neun schusssichere Westen, eine türkische Militäruniform, Messer, Dolche, Bajonette und Folterinstrumente sowie zahlreiche Kommunikationsgeräte.

 

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