Şehba: Hoffen auf die Rückkehr nach Efrîn
Tausenden vor vier Jahren aus Efrîn nach Şehba geflüchteten Menschen droht die erneute Vertreibung durch die von der Türkei geplante Besatzung weiterer Gebiete in Nordsyrien.
Durch die türkische Invasion in Efrîn wurden Anfang 2018 Hunderttausende Menschen vertrieben. Etwa 300.000 Menschen gingen in die benachbarte Region Şehba, die zuvor durch die YPG/YPJ von Milizen der Al-Nusra-Front und des IS befreit worden war. Şehba grenzt an Efrîn und den Großraum von Aleppo und setzt sich aus vielen Dörfern und Ortschaften zusammen. Die größte Stadt ist Tel Rifat, die von der türkischen Staatsführung neben Minbic als erstes Angriffsziel einer erneuten Besatzungsoperation benannt worden ist. Beide Gebiete liegen in der Region westlich des Euphrat, deren Schutzmacht Russland ist.
Infolge des Kriegs in Syrien ist Şehba stark zerstört worden. Die Autonomieverwaltung von Efrîn hat nach der Besatzung fünf Camps für die vertriebene Bevölkerung in Şehba errichtet. Vor allem die Lager Veger und Şehba werden ständig von den türkischen Besatzungstruppen und ihren dschihadistischen Söldnern angegriffen. In den Camps leben weiterhin Tausende Menschen, die auf eine Rückkehr nach Efrîn hoffen und sich daher nicht weiter von ihren alten Heimatorten entfernen wollen.
Das System der Selbstverwaltung wird fortgesetzt
Şêxo ÃŽbrahîm gehört zur Leitung des Camps Berxwedan, was auf Kurdisch Widerstand bedeutet. Die Bewohner:innen haben einen Lagerrat gegründet, dessen Ko-Vorsitzender ÃŽbrahîm ist. Zum Leben in dem Camp berichtete ÃŽbrahîm gegenüber ANF, dass das in Efrîn aufgebaute System einer demokratischen Selbstverwaltung auch in Åžehba fortgesetzt wird: „Im Camp sind zunächst Kommunen gegründet worden, aus denen später der Rat entstanden ist. Es gibt Komitees für soziale Angelegenheiten, Gesundheit, Verteidigung und Verwaltung. In Zelten zu leben, ist für niemanden einfach. Vor allem im Winter ist es schwierig.“
Die Vertreibung vom eigenen Land und der Verlust der alten Lebensweise sind schmerzhaft und schwierig zu bewältigen, sagt ÃŽbrahîm: „Wir leisten jedoch weiter entschlossenen Widerstand. Die Region Åžehba wird seit Beginn des Krieges belagert. Es gibt ständige Angriffsdrohungen durch den türkischen Staat, Russland und das syrische Regime. Die Menschen hier haben trotzdem nur ein einziges Ziel, und das ist die Rückkehr nach Efrîn.“
Begrünung, Schulen und Gesundheitsversorgung
Efrîn ist mit seinen Hügeln und Tälern als fruchtbare Region bekannt, ein Großteil der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Şehba liegt zwar in unmittelbarer Nachbarschaft, hat jedoch ein anderes Klima. Aufgrund des Krieges ist die Landwirtschaft zum Erliegen gekommen. Die Vertriebenen aus Efrîn pflanzen im Camp zumindest Blumen an.
Hacer Xelîl arbeitet im Lagerrat mit und sagt, dass das Leben in Efrîn völlig anders war als jetzt in Åžehba: „Efrîn verfügt über eine weite Landschaft und wir alle hatten Eigentum dort. Hier ist das Leben natürlich viel schwieriger, aber wir fühlen uns trotzdem nicht schwach. Wir haben ein Leben im Camp begründet und Blumen und Bäume in der Umgebung gepflanzt. Es ist nicht viel, aber das Grün hebt die Stimmung im Lager, insbesondere der Alten, Kinder und Frauen. Wir leben in Zelten, aber wir machen es leichter, indem wir uns geistig weiterentwickeln. Auch unsere Kinder gehen weiter zur Schule.“
Als die Camps in Şehba errichtet wurden, sind sofort Schulen eröffnet worden. Zunächst fand der Unterricht in Zelten statt, später konnten mit Unterstützung der kurdischen Rothalbmondorganisation Heyva Sor Schulgebäude gebaut werden. In allen Lagern gibt es Gesundheitsstationen von Heyva Sor, die unter prekären Bedingungen rund um die Uhr für die gesundheitliche Versorgung der Menschen sorgen.
Erneute Vertreibung droht
Zudem werden in Eigenregie strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Geschützt werden die Camps wie in den anderen Gebieten der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien von den HPC, aus der Bevölkerung zusammengestellten Verteidigungskräften. Die Menschen aus Efrîn harren seit vier Jahren unter schwierigen Bedingungen aus, um eines Tages in ihre Region zurückkehren zu können. Jetzt droht ihnen eine weitere Vertreibung, weil die Türkei ihre Besatzungszone in Nordsyrien erweitern will.
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