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Acht Jahre nach dem Völkermord: Neue Angriffe auf die Jesid*innen


Vor acht Jahren verübte der IS an den Je­si­d*in­nen im Nordirak einen Völkermord. Nun attackiert die irakische Armee die Überlebenden.

Ein Haus, das noch nicht ganz fertig renoviert ist in karger Landschaft

Im Jahr 2014 wurde die nordirakische Stadt Sinjar vom IS angegriffen Foto: Alba Cambeiro/ZUMA Wire/imago

 

taz 6.5.22, von Ronya Othman.

Fast acht Jahre ist es her, dass Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats in Sindschar (Shingal) einfielen und an den Jesid*in­nen einen Genozid verübten. Sie ermordeten Männer, missbrauchten die Jungen als Kindersoldaten und vergewaltigten Frauen und Mädchen. 2.800 von ihnen werden bis heute vermisst.

Unzählige Jesid*in­nen haben 2014 den Irak verlassen, meist über die gefährlichen Fluchtrouten nach Europa, und selten mit Sonderkontingenten nach Deutschland, Frankreich, Australien oder Kanada. Zehntausende jedoch harren bis heute in den riesigen Flüchtlingscamps in der Autonomen Region Kurdistan im Irak aus.

Sie leben im Winter wie im Sommer in Zelten. Es fehlt ihnen an Arbeit, an Perspektive. Und es vergeht kaum ein Monat, an dem uns keine Nachrichten erreichen von Brandunfällen oder Suiziden. Um der katastrophalen Lage in den Camps zu entkommen, sind ein paar Familien wieder in ihre Häuser in Sindschar zurückgekehrt – in eine nicht minder katastrophale Lage mit noch vom IS hinterlassenen Sprengfallen, vereinzelten Überfällen von IS-Zellen, zerstörter Infrastruktur, türkischen Angriffe aus der Luft und sich teils feindlich gesinnten Milizen am Boden.

Seit Ende April gibt es nun auch Kämpfe zwischen der irakischen Armee und der von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG ausgebildeten und der PKK nahestehenden jesidischen Widerstandseinheit YBŞ. 3.000 Menschen sind seither aus Sindschar in die Autonome Region Kurdistan geflohen. Die Lage der Je­si­d*in­nen ist also wieder einmal oder immer noch aussichtslos. Dabei hat es das alles längst gegeben, die Forderungen nach UN-Blauhelmen als Schutz für die Zivilbevölkerung, die flehentlichen Appelle an die irakische Regierung in Bagdad, die internationale Staatengemeinschaft.

Es ist also eine Frage des politischen Willens. „Nobody’s listening“ ist der Name einer Ausstellung der jesidischen Organisation Yazda zum Genozid. „Die Welt hat uns vergessen“ ist ein Satz, den man oft zu hören bekommt, spricht man mit den jesidischen Überlebenden im Irak. Im August jährt sich der Genozid zum achten Mal.

 

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