Bundesregierung will ihre Komplizenschaft mit Erdogan-Verbrechen in Syrien nicht einräumen
In einer Kleinen Anfrage ging die Bundestagsfraktion der Partei
DIE LINKE den Kenntnissen der Bundesregierung über Kriegsverbrechen der
Invasionstruppen und die Zusammensetzung des von der Türkei befehligten
Söldnerbündnisses SNA nach.
Am 9. Oktober begann das Erdoğan-Regime, gestützt von zigtausenden Söldner, seinen Einmarsch im nordsyrischen Kanton Cizîrê. An dem Einmarsch war das aus dschihadistischen Gruppen bestehende Söldnerbündnis SNA beteiligt. Die Invasionstruppen begingen und begehen weiterhin schwere Kriegsverbrechen. Amnesty International erklärte dazu: „Die türkischen Streitkräfte und eine Koalition von türkisch unterstützten syrischen bewaffneten Gruppen haben während der Offensive in Nordostsyrien eine schändliche Missachtung des Lebens von Zivilist*innen an den Tag gelegt, indem sie schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begangen haben. Diese Verbrechen schließen Massenhinrichtungen und illegale Angriffe, bei denen Zivilist*innen getötet und verletzt wurden, ein.“
Kumi Naidoo, Generalsekretär von Amnesty International, sagte: „Die türkische Militäroffensive im Nordosten Syriens hat verheerende Auswirkungen auf das Leben der syrischen Zivilbevölkerung. Sie musste aus ihren Häusern fliehen und lebt in ständiger Angst vor willkürlichen Bombardierungen, Entführungen und Massenhinrichtungen. Die türkischen Streitkräfte und ihre Verbündeten haben eine vollkommen herzlose Missachtung zivilen Lebens an den Tag gelegt und rechtswidrig tödliche Angriffe auf Wohngebiete verübt, bei denen Zivilisten getötet und verletzt wurden.“
Wer ist die „Syrische Nationalarmee“?
So folterte beispielsweise die Miliz Ahrar al-Sharqiya, die als Teil der von der Türkei unterstützten „Syrischen Nationalarmee” agiert, die Politikerin und Frauenrechtlerin Hevrîn Xelef (auch Havrin Khalaf) zu Tode. Die türkischen Medien feierten das Kriegsverbrechen: Sie berichteten, die Politikerin sei auf der Grundlage von Geheimdienstinformationen in einer „erfolgreichen Operation neutralisiert“ worden.
Der türkische Geheimdienstthinktank SETA brüstet sich damit, dass auch Ahrar al-Sham Teil der SNA ist, und schreibt ganz offen: „Mit der vollen Integration von Ahrar al-Sham, Suqour al-Sham und Failaq al-Sham in die Nationalarmee hat die Nationale Armee nun eine Inghimasi-Einheit hinzugewonnen, dabei handelt es sich um Stoßtruppen, die ohne eine Rückzugsstrategie feindliche Linien infiltrieren, um im Kampf zu sterben.“
Die Al-Qaida-Abspaltung Ahrar al-Sham wird übrigens in Deutschland als Terrororganisation verfolgt. Dennoch hat das der Türkei unterstehende Kommando der SNA, die sogenannte Nationale Koalition ETILAF, auch ein Büro in Berlin, das lange Zeit von der Bundesregierung finanziert wurde.
Geld von der Bundesregierung für politische Führung der SNA
Nach Angaben der Bundesregierung steht die SNA unter dem Kommando der mit einem Büro in Berlin vertretenen Nationalen Koalition ETILAF bzw. der aus ETILAF hervorgegangenen „syrischen Übergangsregierung“. Dieses Büro wurde lange Zeit von der Bundesregierung finanziert. Die Bundesregierung unterstützte ETILAF nach eigenen Angaben allein zwischen 2016 und 2017 mit 5.452.360,78,– Euro (vgl. Bundestagsdrucksache 19/1471). Noch im Jahr 2019 erhielt ETILAF 274.000,- Euro von der Bundesregierung. Dies lag vor der Gründung der SNA, ETILAF stand aber bereits zuvor in enger Verbindung mit diesen Gruppen und war auch damals schon von der Muslimbruderschaft dominiert.
IS und al-Nusra bei SNA
Neben Gruppen der „Syrischen Nationalarmee” beteiligen sich nach Angaben aus der Region auch Dschihadisten aus den Reihen des Al-Qaida-Ablegers Hayat Tahrir al-Sham (HTS) an der Operation. HTS-Chef Abu Muhammed al-Golani verkündete ebenfalls seine Unterstützung für die Operation in der Region und erklärte, das Land gehöre „sunnitischen Arabern“. Es häufen sich Berichte von ehemaligen Mitgliedern des sogenannten Islamischen Staates (IS), die durch protürkische Milizen in Nordsyrien und der Türkei rekrutiert und dann gegen die Selbstverwaltung in Nordsyrien eingesetzt werden. Die Ankündigung von mutmaßlichen Mitgliedern der SNA, „den Apostaten die Köpfe abzuschneiden“, unterscheidet sich in keiner Form vom Vorgehen des IS.
Amnesty international: Türkei verantwortlich
Der Generalsekretär von Amnesty International erklärte: „Die Türkei ist für die Aktionen der von ihr unterstützten syrischen bewaffneten Gruppen verantwortlich, sie unterstützt, bewaffnet und leitet diese. Bisher hat die Türkei diesen bewaffneten Gruppen freie Hand gelassen, um schwere Verletzungen in Efrîn und anderswo zu begehen. Wir fordern die Türkei erneut auf, Verstöße zu beenden, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und die unter ihrer Herrschaft lebenden Zivilisten zu schützen. Die Türkei kann sich der Verantwortung nicht entziehen, indem sie die Begehung von Kriegsverbrechen an bewaffnete Gruppen auslagert.“
Bundesregierung gibt sich bedeckt
Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, griff diese Fakten auf und forderte eine Stellungnahme von der Bundesregierung. Die Bundesregierung stufte jede Frage nach Zusammensetzung der sogenannten SNA so ein, das eine Veröffentlichung den Interessen der Bundesrepublik schaden könne.
SNA untersteht ETILAF
Sogar die Antwort auf die Frage, von wem die SNA kommandiert wird, wird hier geheim gehalten. Die Bundesregierung will offensichtlich alles tun, um ihren NATO-Verbündeten Türkei und dessen Kooperation mit dschihadistischen Terrorgruppen der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Dennoch räumt die Bundesregierung die Verantwortung von ETILAF für die SNA indirekt ein, indem sie von einem für die SNA von ETILAF festgeschriebenen „Verhaltenskodex“ spricht. Trotz der Verbindungen zu Terrorgruppen wie Ahrar al-Sham ist ETILAF nach Angaben der Bundesregierung soweit bekannt „kein Gegenstand von Beobachtung durch das Bundeskriminalamt“.
Verfahren wegen Mord an Hevrîn Xelef läuft in Deutschland
Die Frage nach Kenntnissen der Bundesregierung über den Filmer des Mords an Hevrîn Xelef, Alhareth Rabah, beantwortet die Bundesregierung einsilbig damit, dass beim Generalbundesanwalt ein Verfahren wegen des Mordes laufe und die Bundesregierung keine Auskunft erteile. Mit dieser Teilantwort gibt die Bundesregierung zumindest zu, dass ein Deutschlandbezug bei der Tat besteht. Der Filmer des Mordes an der kurdischen Politikerin hatte zuvor als Asylbewerber in Deutschland gelebt.
Jelpke: Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung fördert Kriegsverbrechen
Die linke Abgeordnete Ulla Jelpke bezeichnete die Antwort der Bundesregierung als eine „Frechheit“. Es ginge hier einzig und allein darum, den „verbrecherischen Charakter des Angriffskriegs auf Rojava und der dschihadistischen Schergen des AKP-Regimes“ totzuschweigen. Die Abgeordnete fuhr fort: „Eine solche Mauer des Schweigens gibt den Kriegsverbrechern freie Hand, ihre Schreckensherrschaft in den besetzten Gebieten auszuleben, die Bevölkerung zu terrorisieren und zu vertreiben und die Annexion von Teilen Syriens entsprechend den neosmanischen Plänen des türkischen Diktators vorzubereiten. Es muss endlich Schluss sein mit der Kollaboration mit dem Erdogan-Regime.“
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