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Prof. Laura Corradi:„Die kurdische Frauenbewegung ist eine Avantgarde innerhalb des globalen feministischen Spektrums“

 


Gewalt gegen Frauen, Ökofeminismus, Jineolojî und globale Solidarität: Die Soziologin und Aktivistin Laura Corradi spricht über strukturelle Gewalt, Hoffnung in Zeiten von Krieg und Umweltzerstörung und warum Revolution bei der Frau beginnt.

„Die kurdische Frauenbewegung ist eine Avantgarde innerhalb des globalen feministischen Spektrums“
 
SERKAN DEMIREL / ANF, 28. Nov. 2025.

Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen sprach ANF mit der italienischen Soziologin, Autorin und Ökofeministin Prof. Dr. Laura Corradi. Im ausführlichen Interview analysiert Corradi die vielfältigen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt – von symbolischer und ökonomischer bis hin zu ökologischer Gewalt –, reflektiert die Rolle der kurdischen Frauenbewegung und erläutert, warum die Jineolojî als dekoloniale Wissenschaft auch für globale feministische Kämpfe zentral ist. Ihre Perspektive verbindet ökologische, soziale und politische Krisen mit der Notwendigkeit tiefgreifender struktureller Veränderungen – immer ausgehend von der Freiheit der Frau.

Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November wurde infolge der Ermordung der Mirabal-Schwestern ins Leben gerufen. Welche Veränderungen haben Sie seither in der Frauenbewegung beobachtet? Und wie bewerten Sie diesen Prozess aus einer ökofeministischen Perspektive?

Vielen Dank für diese Frage, Serkan. Seit wir den 25. November als Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen begehen, ist das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Gewalt gewachsen. Dennoch hat sich die tatsächliche Situation kaum verbessert. Wir sind weiterhin mit zahlreichen Formen von Gewalt konfrontiert – häuslicher, sexueller, physischer wie psychischer Gewalt. In meinem Land beispielsweise ist die Zahl der Femizide erschreckend hoch. Frauen werden getötet, wenn sie sich scheiden lassen möchten oder die Scheidung bereits vollzogen haben. Selbst Verlobte oder junge Frauen, die eine Beziehung beenden wollen, werden nicht selten von ihren Ex-Partnern ermordet. Insofern hat sich faktisch kaum etwas verändert.


Manche vertreten sogar die Auffassung, dass die Zahl der Femizide gestiegen ist. Sicher ist: Wir verfügen heute über mehr Informationen und ein geschärfteres Bewusstsein für diese Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Früher wurden solche Taten häufig verschleiert – als Suizid oder Unfall deklariert. Heute erkennen wir diese Muster eher als strukturelles Problem. Zugleich wächst jedoch der Eindruck, dass Gewalt gegen Frauen zunimmt – gerade weil Frauen zunehmend unabhängig werden und viele Männer diese Unabhängigkeit nicht akzeptieren. Viele Männer erleben die Emanzipation von Frauen als Bedrohung und reagieren mit physischer Gewalt. Weibliche Freiheit wird oft mit sexueller Verfügbarkeit gleichgesetzt – dabei hat Freiheit nichts mit Verfügbarkeit zu tun. Zahlreiche Übergriffe erfolgen, weil Männer die Notwendigkeit von Einvernehmlichkeit in intimen Beziehungen nicht verstehen oder ignorieren.

Zwar lässt sich ein gewisses politisches Bewusstsein innerhalb der Bewegungen feststellen, doch in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen – ob im sozialen Umfeld, in der Politik, am Arbeitsplatz oder in Bildungseinrichtungen – sind Frauen weiterhin der Gefahr von Gewalt ausgesetzt. Aus ökofeministischer Perspektive betrachte ich nicht nur die physische Umwelt, sondern auch das psychosoziale Umfeld als gestaltbar. Wir müssen die Geschlechterverhältnisse grundlegend transformieren – zwischen Männern, Frauen und allen, die sich außerhalb binärer Kategorien verorten. Die starre Dichotomie zwischen „männlich“ und „weiblich“ muss aufgebrochen werden. Vor allem aber gilt es, die kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen zu verändern, in denen Frauen als Beute oder als Objekt männlicher Dominanz wahrgenommen werden.

Aus ökofeministischer Sicht beginnt der Wandel in den Beziehungen – und diese wiederum entstehen in einem bestimmten sozialen und ökologischen Umfeld, das es zu transformieren gilt.

Wie verstärken die zunehmenden Kriege, der Militarismus und die ökologische Zerstörung weltweit die Gewalt gegen Frauen?

Tatsächlich nimmt die Gewalt gegen Frauen in Kriegszeiten deutlich zu – und zwar in all ihren Formen. Insbesondere sexuelle Gewalt steigt massiv an. In gesellschaftlichen Krisensituationen, die etwa durch menschengemachte ökologische Katastrophen ausgelöst werden, sind es meist Frauen, die die höchsten sozialen und physischen Kosten tragen.

Während kriegerischer Auseinandersetzungen werden Frauen häufig Opfer von Vergewaltigungen. Die gesellschaftliche Toleranzschwelle gegenüber Gewalt sinkt drastisch – Gewalt wird normalisiert und systematisch ausgeübt. Krieg bedeutet in der Regel: Männer töten Männer, Frauen und Kinder – doch gleichzeitig steigt in solchen Kontexten auch die Zahl an Femiziden, an häuslicher, physischer und sexueller Gewalt gegen Frauen.

Ressourcen, die eigentlich für Gesundheit, Bildung oder soziale Versorgung notwendig wären, fließen in Militärbudgets, in Waffenproduktion und Rüstungsausgaben. Die Umwelt wird dabei systematisch zerstört. Zahlreiche Krankheiten – hervorgerufen durch Bomben, chemische oder nukleare Waffen – gefährden insbesondere die Gesundheit von Frauen, die oftmals geringeren Zugang zu medizinischer Versorgung haben.

Mehr Militarismus und mehr Krieg bedeuten zwangsläufig auch mehr ökologische Verwüstung, weniger Nahrungssicherheit, eine schlechtere Gesundheitsversorgung – und eine Zunahme der Gewalt gegen Frauen. Diese Phänomene – Krieg, Patriarchat, Umweltzerstörung, Gewalt gegen Frauen – sind tief miteinander verflochten und müssen daher auch gemeinsam analysiert und bekämpft werden.

Welche „neuen Formen“ von Gewalt erleben Frauen heute? Wie interpretieren Sie Begriffe wie digitale Gewalt, ökonomische Gewalt und ökologische Gewalt?

In den Gender Studies und innerhalb der intersektionalen Methodologie unterscheiden wir grundsätzlich vier Hauptformen von Gewalt: Erstens die sexuelle Gewalt, zweitens körperliche Gewalt, also Misshandlungen von Frauen, drittens psychische Gewalt – die oftmals mit den beiden erstgenannten einhergeht – und viertens ökonomische Gewalt. Letztere äußert sich etwa darin, dass Männer finanzielle Ressourcen kontrollieren und Frauen von der gleichberechtigten Teilhabe an wirtschaftlichen Entscheidungen ausschließen. Häufig sind Frauen dadurch in der Lage, sich nicht einmal grundlegende Produkte wie Menstruationsartikel oder notwendige Medikamente leisten zu können.

Prof. Dr. Laura Corradi ist Soziologin, Genderforscherin und Aktivistin. Sie lehrt an der Universität Kalabrien mit den Schwerpunkten Gender Studies, feministische Theorie und das Verhältnis von Wissenschaft und Geschlecht. Foto: privat

Diese vier Gewaltformen werden klassischerweise in der Geschlechterforschung untersucht. In meiner eigenen Forschung habe ich jedoch eine weitere, häufig übersehene Form herausgearbeitet: die symbolische Gewalt. Diese zeigt sich insbesondere in der Darstellung von Frauenkörpern in der Werbung. Körperteile – Lippen, Augen, Brüste, das Schambein, Beine – werden isoliert und sexualisiert präsentiert, um Konsum zu stimulieren, sei es für Parfüms, Reinigungsmittel, Autos oder touristische Angebote. Der weibliche Körper wird fragmentiert und instrumentalisiert, um Aufmerksamkeit zu erregen – unabhängig vom beworbenen Produkt.

Diese Art der Darstellung ist eine Form symbolischer Gewalt, weil sie Frauen auf Objekte reduziert und ihren Körper kommerzialisiert. Besonders problematisch ist die Sexualisierung von Mädchen in der Werbung: Auch Kinderkörper werden zunehmend der männlichen Blicklogik unterworfen und dadurch in gefährlicher Weise sexualisiert. Das fördert eine gesellschaftliche Wahrnehmung, in der Männer Frauen in „Einzelteilen“ betrachten und begehren, anstatt sie als ganzheitliche Personen mit Intellekt und emotionaler Tiefe wahrzunehmen. Diese symbolische Gewalt wirkt subtil, aber tiefgreifend. Sie prägt gesellschaftliche Vorstellungen und trägt zur Aufrechterhaltung patriarchaler Strukturen bei. In meiner Forschung konnte ich diese Dynamik empirisch nachweisen und theoretisch einordnen.

In verschiedenen Artikeln haben Sie sich auf die Analysen Abdullah Öcalans zur Frauenbefreiung bezogen. Wie bewerten Sie sein Paradigma der Frauenbefreiung, und welche Bedeutung hat es im Kontext feministischer Theorie?

Die Arbeiten und Schriften Abdullah Öcalans – sowohl vor seiner Inhaftierung, als auch während der über 25 Jahre währenden Gefangenschaft und Isolation – stellen einen bedeutenden Beitrag zur Analyse der historischen Versklavung der Frau dar. Öcalan geht der Frage nach, wann und wie Frauen in der Geschichte unterworfen wurden, und entwickelt daraus eine Theorie der „Soziologie der Freiheit“, in der die Befreiung der Frau nicht als nachgelagerte, sondern als grundlegende Voraussetzung gesellschaftlicher Befreiung verstanden wird.

Im Gegensatz zu vielen anderen revolutionären Bewegungen, die die Geschlechterfrage erst nach der Lösung von Klassenherrschaft und ethnischer Unterdrückung behandeln wollten, stellt Öcalan die Befreiung der Frau an den Anfang eines revolutionären Prozesses. Er zeigt anhand historischer Analysen deutlich, dass ohne die Überwindung der patriarchalen Verhältnisse auch andere Formen von Unterdrückung nicht nachhaltig beseitigt werden können.

Seine Perspektive ist dabei dezidiert intersektional: Er beschränkt sich nicht auf Klassen- oder ethnische Ausbeutung, sondern betrachtet verschiedene Formen von Unterdrückung in ihrem Zusammenspiel – einschließlich der strukturellen Unterdrückung von Frauen. Es ist bemerkenswert, dass Öcalan – unter den Bedingungen der Haft – zu einer solch differenzierten, theoretisch wie politisch weitreichenden Analyse gelangt ist.

Im Kontext feministischer Theorie ist sein Beitrag daher von erheblicher Bedeutung. Er erweitert den Diskurs um eine radikale, systemische Perspektive auf die Geschlechterverhältnisse und deren zentrale Rolle im Kampf um Freiheit. Für diesen Beitrag schuldet ihm die feministische Theorie Anerkennung und kritische Auseinandersetzung gleichermaßen.

In der kurdischen Frauenbewegung spielen Schlüsselbegriffe wie „Selbstverteidigung“, „Selbstorganisierung“ und „freies Leben“ eine zentrale Rolle. Wie interpretieren Sie diese Konzepte im Rahmen feministischer Theorie?

Die kurdische Frauenbewegung ist ohne Zweifel eine Avantgarde innerhalb des globalen feministischen Spektrums – ebenso wie viele indigene Frauenbewegungen. Die genannten Konzepte wurden von kurdischen Frauen aktiv entwickelt und mit politischer Praxis untermauert.

„Selbstverteidigung“ meint hier nicht ausschließlich den physischen Schutz vor bewaffneten Angriffen, etwa durch den sogenannten Islamischen Staat oder andere militärische Bedrohungen. Vielmehr begreifen die kurdischen Frauen Selbstverteidigung auch als eine kollektive geistige und emotionale Haltung – als Bewusstseinsform, in der Frauen sich selbst, ihre Würde, ihr Wissen und ihre Autonomie verteidigen.

Selbstverteidigung ist dabei untrennbar mit Selbstorganisierung verknüpft. Frauen müssen sich eigene Räume schaffen, in denen sie sich jenseits patriarchaler Strukturen entwickeln, gegenseitiges Vertrauen aufbauen und kollektive Stärke entfalten können. Seit dem Neolithikum wurden Frauen systematisch gegeneinander ausgespielt – durch patriarchale wie koloniale Mechanismen. Wie viele indigene Feministinnen betonen, hat der Kolonialismus soziale Beziehungen untergraben, etwa zwischen Müttern und Töchtern, zwischen Schwestern, Freundinnen und Mitstreiterinnen.

Daher ist es essenziell, Vertrauen unter Frauen wiederherzustellen – ebenso wie Selbstachtung, gegenseitige Solidarität und gemeinsames politisches Handeln. Erst auf dieser Grundlage kann ein freies Leben entstehen – nicht als theoretisches Konzept, sondern als gelebte Praxis.

Ich erinnere mich etwa an das Frauendorf Jinwar in Rojava: ein konkretes Beispiel dafür, wie Frauen durch gemeinsames Leben und Arbeiten Autonomie erfahren können. Dieses Projekt wäre nicht möglich ohne die politische Bedeutung, die Abdullah Öcalan der Rolle der Frau zuspricht – insbesondere seiner Einschätzung, dass Frauen in vielen Bereichen über mehr Weisheit und weniger Egoismus verfügen als Männer. Auch wenn dies nicht pauschal gelten mag, verweist es doch auf die jahrtausendelange Ausgrenzung und Abwertung von Frauen als angeblich „unwissend“, „unfähig“ oder gar „seelenlos“.

Die von der kurdischen Frauenbewegung formulierten Konzepte sind daher hochrelevant für die feministische Theorie. Sie liefern Werkzeuge, um auch innerhalb unserer eigenen Bewegungen mit Widersprüchen und interner Gewalt umzugehen – denn leider existiert geschlechtsspezifische Gewalt auch innerhalb progressiver und feministischer Kontexte.

Die Jineolojî hat bedeutende Beiträge zur globalen feministischen Bewegung geleistet. Darüber hinaus: Wie bewerten Sie die Solidarität, die kurdische Frauen mit der internationalen feministischen Bewegung aufgebaut haben?

Je intensiver ich mich mit der Jineolojî befasse, desto stärker erkenne ich ihre radikale Tragweite. Sie versteht sich als Wissenschaft der Frau, die bestehende Wissenssysteme grundlegend in Frage stellt und neu aufbaut – sei es in der Geschichtsschreibung, der Medizin, der Kultur oder in Fragen von Führung und Wissenschaft im Allgemeinen.

Ich unterrichte an der Universität zum Verhältnis von Gender und Wissenschaft, und viele meiner Studierenden interessieren sich in ihren Abschlussarbeiten für Jineolojî. Sie erkennen in diesem Ansatz ein revolutionäres Potenzial: Jineolojî ist eine dekoloniale, depatriarchale und ökologische Praxis, die sich nicht auf theoretische Analyse beschränkt, sondern auf konkrete Neugestaltung von Wissen und Leben zielt. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur globalen feministischen Bewegung. Viele Feministinnen weltweit haben sich durch die kurdische Frauenbewegung und die Jineolojî inspirieren lassen.

Was die Solidarität betrifft, würde ich sogar sagen: Es geht über bloße Solidarität hinaus. Die Beziehung ist von einer tiefen Erkenntnis geprägt, dass das, was wir – beispielsweise im Namen kurdischer Frauen – tun, nicht nur ihnen zugutekommt, sondern auch uns selbst. Durch den Kontakt mit ihrer Bewegung erweitern wir unser eigenes Verständnis von feministischer Praxis und gewinnen an theoretischer und praktischer Tiefe.

Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass auch andere indigene feministische Gruppen, die bislang noch keinen Bezug zur Jineolojî haben, mit dieser Denkweise in Berührung kommen. Der Austausch ist essenziell – nicht nur aus politischer Verbundenheit, sondern weil wir durch diese Verbindung lernen, wie Befreiung konkret gelebt und gestaltet werden kann.

Welche Entwicklungen in der heutigen Welt geben Ihnen am meisten Hoffnung im Hinblick auf die Freiheit der Frauen?

Unterdrückung von Frauen ist ein globales Phänomen – sie existiert überall: in zahlreichen afrikanischen Ländern, in Indien, in Australien und auch in Neuseeland. Wobei wir uns bemühen sollten, koloniale Benennungen zu dekonstruieren: Neuseeland sollte als Aotearoa bezeichnet werden, und der amerikanische Kontinent als Abya Yala, wie es in indigenen Traditionen heißt.

Ein wesentlicher Aspekt ist daher die Dekolonisierung unserer Sprache – ebenso wie unserer politischen Praxis. Und gleichzeitig: Hoffnung muss kultiviert werden. Sie entsteht nicht spontan, wie ein plötzlicher Windstoß. In schwierigen Zeiten ist Hoffnung ein bewusster Akt – und sie kann nicht individuell entstehen. Zu viel Individualismus schadet der kollektiven Hoffnung.

Wahre Hoffnung entsteht im gemeinsamen Streben nach Freiheit – getragen von Frauen, Männern und jenen, die sich jenseits der binären Geschlechterverhältnisse verorten. Sie entsteht durch den Kampf für eine echte, direkte, interethnische, interreligiöse, antikapitalistische und ökologische Demokratie, für Konföderalismus als alternative Organisationsform. Hoffnung liegt in diesen Ideen – wenn sie in der Praxis verwirklicht werden. Es geht darum, Samen zu pflanzen, denn Hoffnung wächst nicht von selbst. Sie ist Arbeit, eine kollektive, politische und ethische Aufgabe.

In meiner Arbeit – ich lehre an der Universität und bin zugleich Aktivistin – versuche ich, zur Bildung in Freiheit, zu Integrität und zur Wahrhaftigkeit beizutragen. Wahrheit spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. In Indien sprechen wir von Satyagraha, dem gewaltlosen Kampf um Wahrheit. Auch Abdullah Öcalan hat der Wahrheit große Bedeutung beigemessen. Ohne Zugang zur Wahrheit – und ohne den Mut, sie auszusprechen – kann es keine echte Veränderung geben. Hoffnung ist also untrennbar mit Kampf verbunden. Hoffnung ist ein Ausdruck der Wahrheitssuche.

Vielen Dank, liebe Professorin Laura Corradi, dass Sie sich Zeit genommen und Ihre Gedanken mit uns geteilt haben. Möchten Sie abschließend noch etwas ergänzen oder auf einen Aspekt besonders hinweisen?

Ich danke Ihnen für dieses Interview – es war für mich selbst ein Moment der Reflexion. Ich habe Ihnen also zu danken, denn Ihre Fragen haben mich zum Nachdenken angeregt. Wir haben so viel zu teilen – nicht nur innerhalb unserer aktivistischen Kreise oder feministischen Gruppen. Es ist wichtig, dass wir uns aus unseren politisierten Milieus hinausbewegen und mit Menschen sprechen, mit Arbeiterinnen und Arbeitern, mit jenen, die außerhalb akademischer oder politischer Räume stehen.

Ich selbst bin Professorin – aber ich bin ebenso eine Arbeiterin, genau wie die Frauen, die an der Universität reinigen, kochen oder im Garten arbeiten. Meine wichtigsten Beziehungen entstehen oft nicht zu anderen Akademiker:innen, sondern zu jenen Kolleginnen, die mit ihren Händen arbeiten. Das prägt mein Verständnis von Solidarität. Daher möchte ich betonen, wie zentral es ist, klassenübergreifend, statusunabhängig und intersektional zusammenzuarbeiten. Ohne Allianzen kommen wir nicht weiter.

Ich selbst stamme aus einer Arbeiterfamilie – ich habe in der Fabrik gearbeitet. Es fällt mir oft schwer, mit bürgerlichen Frauen ins Gespräch zu kommen. Aber wenn es um das Thema Gewalt gegen Frauen geht, müssen wir miteinander sprechen – auch mit Frauen aus der politischen Rechten, auch mit jenen, die nicht unsere Sprache sprechen oder unsere Begriffe teilen. Denn das Ziel ist klar: Freiheit für Frauen. Und darüber müssen wir mit allen reden. Das ist mein letzter Punkt – und mein Dank gilt Ihnen und allen, die dieses Gespräch lesen oder weitertragen.


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