Bürgermeister abgesetzt, Wan unter Zwangsverwaltung gestellt
Der Ko-Bürgermeister von Wan, Abdullah Zeydan, ist vom türkischen Innenministerium abgesetzt und durch einen Zwangsverwalter ersetzt worden. Die Mahnwache im Rathaus wurde mit Tränengas und Gummigeschossen aufgelöst, über 100 Menschen sind in Polizeihaft.

In der kurdischen Stadt Wan (tr. Van) wurde der Ko-Oberbürgermeister Abdullah Zeydan seines Amtes enthoben. An seiner statt wird fortan der von der AKP-Regierung gestellte Gouverneur Ozan Balcı die Geschäfte übernehmen. Zeydan ist damit der neunte für die DEM-Partei angetretene Mandatsträger, der seit der Kommunalwahl im März sein Amt verliert. Schon damals hatte es einen Anlauf der AKP gegeben, den Ko-Oberbürgermeister durch einen Zwangsverwalter zu ersetzen; nach großen Protesten konnte dies jedoch abgewendet werden. Insgesamt wurden seit der Abstimmung elf von der Opposition regierte Rathäuser vom türkischen Innenministerium unter Zwangsverwaltung gestellt.
Mit der Absetzung Abdullah Zeydans ist in Wan gerechnet worden. Der
kurdische Politiker war am Dienstag von einem Gericht in Amed
(Diyarbakır) wegen angeblicher Unterstützung der PKK zu drei Jahren und
neun Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt worden; mit der Entscheidung begründet die Regierung auch
die Amtsentlassung des 52-Jährigen. Seit der Urteilsverkündung fand am
Rathaus von Wan eine Mahnwache
statt, um die Einsetzung eines Zwangsverwalters zu verhindern. Tagsüber
beteiligten sich tausende Menschen, in der Nacht reduzierte sich die
Zahl auf einige hundert.
Rathaus von der Polizei erstürmt
Wohl aus diesem Grund rückte die Polizei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an, um das Rathaus zu erstürmen. Mehrere Hundertschaften fuhren gegen vier Uhr morgens vor dem Verwaltungsgebäude vor, während sich an der Wache beteiligte Menschen im Inneren des Rathauses verbarrikadierten. Unter ihnen waren neben etlichen Bewohner:innen der Stadt auch Zeydan selbst, mehrere Parlamentsabgeordnete der DEM-Partei und Medienschaffende. Die Polizei schoss Tränengasgranaten sowohl in Menschenmengen als auch durch Fenster in das Gebäude, außerdem wurde der Einsatz von Gummigeschossen dokumentiert. Daraufhin öffnete ein Parlamentsabgeordneter einen anderen Zugang zum Rathaus. Die Polizei räumte das Gebäude.
Zeydan: Schamlose Diebe
Abdullah Zeydan weigerte sich, seine Absetzungserklärung zu unterzeichnen. Er rief: „Schamlose Diebe haben sich den Willen des Volkes von Wan angeeignet. Die Putschisten werden verlieren und das Volk wird gewinnen“ und veröffentlichte die Aussage später auch auf X. Die DEM bezeichnete die Absetzung des Bürgermeisters ebenfalls als Putsch und Schlag gegen den Volkswillen. „Wir verurteilen den Überfall auf unser Rathaus, den Angriff auf die Bevölkerung mit Tränengasgranaten und Gummigeschossen, das Verprügeln und Festhalten von Kindern und älteren Menschen. Wir werden uns dieser Gesetzlosigkeit nicht beugen. Wir werden uns gegen die Treuhändermentalität wehren, die versucht, den Willen des Volkes von Wan an sich zu reißen. Die Gemeinden gehören dem Volk, nicht den Putschisten“, hieß es in einer Erklärung.
Bisher über hundert Festnahmen
Bei der Erstürmung des Rathauses kam es nicht nur zu Gewalt gegen Beteiligte der Mahnwache, auch wurden zahlreiche Menschen festgenommen. Das Rechtsbüro des Provinzverbands der DEM bestätigte unter Verweis auf Angaben des Vereins freiheitlicher Juristen (ÖHD) 115 Festnahmen. Was den Betroffenen zum Vorwurf gemacht wird, ist bislang unklar. Unter ihnen befinden sich laut Angaben auch mehrere Minderjährige und Medienschaffende, darunter Rabia Önver von der Frauennachrichtenagentur JinNews, die MA-Korrespondenten Bilal Babat und Mehmet Güleş, sowie die freiberuflichen Journalist:innen Medine Mamedoğlu, Behçet Bayhan und Ruşen Takv
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