Interview mit Murat Karayilan, Oberkommandierender der HPG
- 07:49 Karayılan: Wer beharrlich auf Krieg setzt, wird verlieren
- 19:34 Aufklärung der Todesumstände von Rojin Kabaiş gefordert
- 16:38 Kampfdrohne zielt auf Berg Qereçox
- 14:36 Anklage gegen IS-Mitglied in München erhoben
- 13:57 Cleanup-Aktion am Tişrîn-Damm
- 12:36 Soldat an Westfront des Zap von HPG-Sniper erschossen
- 10:48 Getreidesilo-Anlage in Sirrîn aus der Luft bombardiert
- 09:48 Ko-Bürgermeister:innen von Akdeniz festgenommen
- 07:23 Mexmûr: Solidarität mit verbotenen Frauenorganisationen
- 20:29 Gedenken an Sara, Rojbîn und Ronahî in Dresden
Karayılan: Wer beharrlich auf Krieg setzt, wird verlieren
Murat Karayılan mahnt mit Blick auf die Möglichkeit zur Lösung der kurdischen Frage, Abdullah Öcalans ausgestreckte Hand anzunehmen. „Andernfalls geht der Krieg weiter und es ist ausgeschlossen, dass der türkische Staat diesen Krieg gewinnt.“
Murat Karayılan, Mitglied des Exekutivrats der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und Oberkommandierender der Volksverteidigungskräfte (HPG), hat sich in einem ANF-Interview zu aktuellen Themen geäußert, darunter zur Lage in Syrien (Auszüge).
Könnte Rojava denn vernichtet werden?
Keineswegs.
Warum nicht?
Nach unseren Beobachtungen haben die Führungspersönlichkeiten von Nord- und Ostsyrien aus den vergangenen Erfahrungen gelernt. Eine Wiederholung von dem, was in Efrîn, Serêkaniyê oder Girê Spî geschah, ist nicht so leicht möglich. Allerdings muss man sagen, dass der türkische Staat auch in dieser Hinsicht seine Spezialkriegsmethoden und psychologische Propaganda einsetzt, um die Realität zu verschleiern.
Nach unseren Informationen haben die militärischen Kräfte in Tel Rifat und Şehba freiwillig entschieden, sich zurückzuziehen. Dort gab es keinen Sieg oder eine Niederlage. Es gab einen eintägigen Konflikt, der dann durch Verhandlungen beendet wurde, und der Rückzug begann. In Minbic hingegen haben sich einige nicht nachvollziehbare Ereignisse abgespielt, sowohl militärisch als auch politisch. Soweit wir wissen, gab es auch seitens der internationalen Kräfte Einflussnahmen, die zu diesem Rückzug geführt haben. Angeblich wurden Abkommen geschlossen, doch diese wurden von den türkischen Streitkräften und ihren Söldnergruppen nicht eingehalten.
Die türkischen Medien haben den Rückzug aus Minbic als großen Sieg der von der Türkei unterstützten SNA „Syrische Nationalarmee“- dargestellt.
Die Demokratischen Kräfte Syriens (kurz QSD) haben sich entschieden, ihre Einheiten nicht für diese Kämpfe zu opfern, und sich zurückgezogen. Doch die türkischen Medien und die von der Türkei gesteuerten Söldnergruppen haben dies als militärischen Sieg inszeniert und propagiert, dass sie die QSD aus Minbic vertrieben hätten. Das entspricht nicht der Wahrheit. Denn die sogenannte SNA ist keine ernstzunehmende militärische Kraft. Es sind Plünderer, die an den Orten, an denen sie operieren, das Eigentum der Bevölkerung beschlagnahmen. Nicht im Entferntesten sind sie den QSD ebenbürtig.
Die QSD sind eine erfahrene Kraft, die sich im harten Kampf gegen den IS bewährt hat. Keine der derzeitigen militärischen Kräfte in Syrien ist in der Lage, die QSD zu besiegen. Dies wurde auch in den jüngsten Auseinandersetzungen an den Fronten von Qereqozax, Tişrîn und Dêr Hafir deutlich. Mehrfach versuchten die von der Türkei organisierten Söldnergruppen, das Gebiet um das Grabmal von Süleyman Şah einzunehmen und den Tişrîn-Staudamm zu erobern, doch sie scheiterten immer wieder. Die Türkei setzte sogar tschetschenische und kirgisische Dschihadisten ein, in der Hoffnung, dass diese „kampferfahrenen“ Milizen die QSD besiegen könnten. Doch auch sie wurden eines Besseren belehrt.
Im Grunde ist es der türkische Staat, der dort kämpft. Die gesamte Palette an schwerer Kriegstechnik aus dem Bestand der Armee – Panzer, Aufklärungsdrohnen, Kampfdrohnen – ist permanent im Einsatz. Sie geben vor, einen Stellvertreterkrieg zu führen, sind aber mittendrin. Sie sind diejenigen, die koordinieren, ausführen und planen, aber sie haben versagt. Die QSD beherrschen die Region nach wie vor. Sie drängen die Angreifer sogar zurück. Aber in den Meldungen, die sie verbreiten, behaupten sie, eine Region nach der anderen von den QSD eingenommen zu haben. Dadurch wollen sie eine falsche Wahrnehmung in der Gesellschaft schaffen.
Nach der am 27. November entwickelten Planung sollte Hayat Tahrir al-Sham (HTS) Aleppo einnehmen und dann in Richtung Hama vorrücken, während die vom türkischen Staat organisierte SNA Richtung Tel Rifat und Minbij und anschließend bis nach Kobanê, Tabqa, Raqqa, Deir ez-Zor und Qamişlo marschieren sollte. Mit anderen Worten: der Plan war es, die Demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien zu zerschlagen. Die HTS ist bis nach Damaskus vorgedrungen, aber die sogenannte SNA sitzt bis jetzt in Qereqozax und Tişrîn fest.
Abdülkadir Selvi von der Zeitung „Hürriyet“ schrieb, dass in diesem Zusammenhang „auf die Bremse getreten“ worden sei.
Es wurde nicht auf die Bremse getreten. Die internationalen Kräfte haben keine Zustimmung für einen offenen Angriff der türkischen Armee gegeben. Deshalb versucht die Türkei, ihre Ziele mit einer Stellvertreterarmee zu erreichen. Doch das türkische Projekt ist in Qereqozax und Tişrîn gescheitert, während HTS in Damaskus erfolgreich vorgedrungen ist. Sie verschweigen dies jedoch der Öffentlichkeit. Sie unterschlagen die Tatsache, dass die Autonomieverwaltung ihre Position behauptet hat.
Zu Beginn der Offensive gegen das Assad-Regime gab es viele Berichte darüber, dass die arabischen Stämme in Nord- und Ostsyrien gegen die Selbstverwaltung rebellieren würden und verschiedene Städte erobert hätten. Doch nun scheint es, als wären diese Berichte verstummt.
Das waren größtenteils Unwahrheiten. Es gab wohl kleine lokale Vorfälle, aber all diese Probleme wurden gelöst. Derzeit sind die von der Demokratischen Selbstverwaltung kontrollierten Gebiete die ruhigsten und sichersten Regionen in Syrien.
Sie haben erwähnt, dass die QSD sich freiwillig aus Minbic und Tel Rifat zurückgezogen haben. Könnte das auch in anderen Gebieten eintreten?
Ja, sie haben sich bewusst aus Minbic und Tel Rifat zurückgezogen, aber ich denke nicht, dass sie dies an anderen Orten tun werden. Lassen Sie mich eines klarstellen: Diese SNA-Söldner sind keine Gegner, die den QSD gewachsen wären. Sie können nichts ausrichten. Sollte jedoch die türkische Armee direkt eingreifen, würde ein Angriff auf Kobanê mindestens drei Jahre andauern. Schauen Sie, die Verteidigungskräfte im Zap leisten ihren Widerstand seit drei Jahren aus 300 Meter langen Tunneln heraus.
Es muss klar sein: Die Kurdinnen und Kurden haben ihre Kriegstaktik weiterentwickelt. Sie haben die Fähigkeit erworben, sowohl einen Tunnelkrieg als auch einen Luftverteidigungskrieg zu führen. Daher hat es keinen Sinn mehr zu sagen: „Wir schlagen mit eiserner Faust zu und nehmen es ein.“ Diese „eiserne Faust“ würde dort zerschmettert werden. Die Zeiten der technischen Überlegenheit sind vorbei. Auch die Kurden sind technisch versiert, sind aktiv in der Politik und Diplomatie, beherrschen die Kriegskunst. Das muss man akzeptieren.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen