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Mazlum Abdi: Kobanê ist in akuter Gefahr



Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens, Mazlum Abdi, warnt in einem Interview vor einem bevorstehenden Angriff auf Kobanê. Die Türkei habe konkrete Pläne, die Stadt anzugreifen.


In einem Interview von Shirin Jaafari mit The World bewertete der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, die aktuellen Entwicklungen in Syrien.

Was können Sie zu den Berichten über die türkischen Truppen sagen, die in der Nähe der Grenze zusammengezogen werden? Steht ein Einmarsch bevor?

Ihre Berichte sind korrekt. Es gibt eine Truppenaufstockung. Es findet eine Mobilisierung statt. Außerdem sind die Drohnen der türkischen Armee im Einsatz, um die Angriffe zu decken. In den letzten Tagen haben die Angreifer also versucht, den Euphrat zu überqueren und sich dann in Richtung Kobanê zu bewegen. Unsere Kräfte haben sich ihnen entgegengestellt und sie zurückgedrängt. Es liegen uns Informationen über ihre Pläne, Kobanê anzugreifen, vor.

Haben Sie Ihre Bedenken an die USA weitergegeben? Wie haben diese reagiert?

Wir arbeiten also schon seit Jahrzehnten mit der internationalen Koalition und den US-Streitkräften zusammen. Wir stehen in Kontakt mit dem Verteidigungsministerium, dem Außenministerium und auch dem Weißen Haus. Wir wissen, dass sich die USA einsetzen und Druck auf die Türkei aufbauen, dass sie versuchen zu vermitteln und diese Entwicklungen abzuwenden. Jegliche Verletzung an der türkisch-syrischen Grenze muss abgewandt werden.

Die USA setzen alles daran, diese Angelegenheit im Dialog zu lösen. Wir sind dankbar für ihre Bemühungen. Trotz alledem gibt es im Moment keinen dauerhaften Waffenstillstand. Wir haben erst vor wenigen Minuten (18.12.) von einer vorübergehenden Verlängerung der bisherigen Waffenruhe um eine weitere Woche gehört. Wir haben also jetzt für eine Woche eine Waffenruhe, was gut ist. Aber wir versuchen, mit unseren Partnern zwei Dinge zu erreichen: erstens einen dauerhaften Waffenstillstand und zweitens die Berücksichtigung der türkischen Sicherheitsbedenken.

Ihre Kräfte sind auch für die Sicherheit in mehreren großen Lagern und Gefängnissen, in denen Tausende von ehemaligen IS-Mitgliedern und deren Familien untergebracht sind, zuständig. Wurde die Sicherheit in diesen Lagern durch die jüngsten Entwicklungen in Syrien beeinträchtigt?

Sicherlich ist die Sicherheit dieser Einrichtungen beeinträchtigt. Wer schützt und bewacht diese Einrichtungen? Diese Menschen befinden sich jetzt hauptsächlich in den kurdischen Gebieten. Sie sind damit beschäftigt, die Häuser und Städte dort zu schützen. Das hat Auswirkungen auf die Sicherheit der Lager und Gefängnisse.

Letztendlich geht es um die Stabilität und den Schutz von ganz Syrien und nicht nur um den einen oder anderen Standort im Nordosten des Landes. Deshalb arbeiten wir mit unseren amerikanischen Partnern zusammen, um in ganz Syrien Schutz und Stabilität zu gewährleisten. In ganz Syrien gibt es eine Stabilisierung, außer bei uns.

Deshalb arbeiten wir mit den Amerikanern zusammen, um für die Stabilität und den Schutz auch unserer Region zu sorgen. Das wird uns in die Lage versetzen, unsere Verpflichtungen in Bezug auf die Gefangenenlager zu erfüllen.

Sind Sie besorgt, dass der IS die Situation ausnutzt und die Gefangenen befreien könnte?

Natürlich, die Entwicklungen haben solche Auswirkungen, und wir haben das seit ihrem Beginn beobachten können. Wir haben gesehen, dass der IS einen Vorrat an Waffen und Munition in der syrischen Wüste erbeutet hat. Und jetzt beobachten wir, dass der IS seine Aktivitäten in der syrischen Wüste verstärkt.

So hat der IS kurz vor diesem Interview, also vor etwa zwei Stunden, eine Stellung der Sicherheitskräfte, die für die Bewachung eines Gefängnisses für IS-Mitglieder zuständig ist, angegriffen. Dabei wurde ein Mitglied der Kräfte der Inneren Sicherheit getötet und drei weitere wurden verletzt. Wir haben gesehen, wie der IS vergangene Woche versucht hatte, denselben Ort anzugreifen.

Es ist offensichtlich, dass das, was vor sich geht, Auswirkungen auf die Sicherheit und den Schutz dieser Einrichtungen hat. Wir arbeiten hart daran, die Lage unter Kontrolle und sicher zu halten. Und ich will nicht verschweigen, dass wir Informationen über IS-Pläne haben, Anschläge auf Einrichtungen zu verüben, in denen sich IS-Mitglieder oder deren Angehörige befinden, um diese zu befreien.

Steht das unmittelbar bevor? Sind Sie zuversichtlich, dass Sie diese Gefängnisse gegen solche Angriffe verteidigen können?

Ja, das steht mit Sicherheit unmittelbar bevor. Derzeit bin ich zuversichtlich, dass wir diese Einrichtungen unter Kontrolle halten können. Wenn aber die Angriffe auf uns im Nordosten Syriens andauern und unsere Kräfte immer mehr eingesetzt werden müssen, um ihre Familien und Gemeinschaften zu schützen, wird die Situation mit der Zeit gefährlich und riskant werden.

Trauen Sie HTS? Hatten Sie in der letzten Woche Kontakt mit ihr?

In der letzten Woche beschränkte sich unsere Kommunikation mit Hayat Tahrir al-Sham (HTS) auf die Koordination in Sicherheitsfragen. Und auch die beschränkte sich auf das, was man als Deeskalation und Koordination bezeichnen kann. Es geht also nur darum, nicht in Gefechte gegeneinander zu geraten, da wir jetzt gemeinsame Grenzen haben. Es ist also eine Kommunikation auf operativer Ebene. Es gibt aber keine politische Kommunikation.

Das liegt daran, dass wir mit dem Schutz unserer Region und dem Schutz unserer Region vor den Angriffen des türkischen Staates und der von ihm unterstützten Gruppierungen beschäftigt sind. Man sieht, dass im ganzen Land Sicherheit und Stabilität herrschen, aber im Nordosten wird weiter gekämpft, und es gibt keine politische Kommunikation mit den HTS, so konnte auch bisher keine Delegation nach Damaskus geschickt haben.

Können Sie sich in naher Zukunft politische Gespräche mit HTS vorstellen?

Wir wollen das. Und um ehrlich zu sein, das hängt aber ganz von ihnen ab.

Ich möchte sie nach ihrer Position zu Israel und dem Plan der israelischen Regierung befragen, den Ausbau der Siedlungen auf den besetzten Golanhöhen zu fördern. Was ist Ihre Reaktion darauf?

Wenn wir uns die Äußerungen der israelischen Regierung und die Berichte in den Medien ansehen, dann handelt es sich um Schritte, die Israel zu seiner eigenen Sicherheit unternimmt. Wir sind aber grundsätzlich gegen die Besetzung von syrischem Territorium. Es geht um das ganze Land. Wir treten für die territoriale Integrität Syriens und die Einheit Syriens ein. Wir glauben, dass alle noch offenen Fragen zwischen Syrien und Israel letztlich im Dialog gelöst werden können.

Wie sehen die Zukunft der Kurden in der Nach-Assad-Ära?

Wir sind optimistisch und erwarten, dass sich die Situation der Kurden in Syrien nach Assad verbessern wird. Wir haben erlebt, dass die Kurden während der Herrschaft Assads unterdrückt wurden und ihnen ihre Identität verweigert wurde. Es gab viel Leid durch die Assad-Ära, das jetzt besprochen werden muss. Es gab keine anerkannte Sprache für die Kurden und keine rechtliche Verankerung.

Die Kurden waren die wahre Opposition in Syrien, und sie [waren diejenigen], die gemeinsam mit der internationalen Anti-Terror-Koalition in Syrien gekämpft haben. Und auf dieser Grundlage müssen die Kurden ihre verfassungsmäßigen Rechte wahrnehmen können, das verdienen sie auch. Das, was wir bisher von der HTS, der neuen Regierung, in Damaskus gehört haben, empfinden wir als positiv, wir begrüßen diese Erklärung.

Wir sind also optimistisch. Syrien braucht einen konstruktiven Dialog zwischen allen Völkern und einen echten und repräsentativen politischen Prozess, der zu einem neuen Land Syrien führen wird, in dem die Rechte aller Menschen verfassungsgemäß respektiert werden.

Gibt es Kontakte zu den Vertretern der kommenden Trump-Regierung? Sprechen Sie mit ihnen über die bevorstehende Übergangsphase?

Wir haben viele Kontakte aus der ersten Amtszeit von Präsident [Donald] Trump. Und wir haben auch viele Kontakte zu dieser Regierung. Wir sprechen immer noch mit den Kontakten aus der ersten Amtszeit, die auch der nächsten Regierung angehören werden. Außerdem sprechen wir mit Vertretern aus verschiedenen US-Institutionen, wie dem Kongress, dem Senat und dem Repräsentantenhaus. Und wir haben uns kürzlich an sie gewandt, um sie um ihre Unterstützung und Hilfe zu bitten, die türkischen Angriffe und ständigen Angriffe auf unsere Region zu beenden.

Zudem haben wir einen Brief an Präsident Trump geschickt. Wir werden diese guten und starken Beziehungen mit der neuen Regierung weiter pflegen und erhalten. Heute gibt es eine neue Situation in Syrien. Auf der gestrigen Pressekonferenz von Präsident Trump hat er deutlich gemacht, dass er keine Bedrohung für die US-Präsenz in Syrien sieht, und das haben wir positiv aufgenommen. Wir sehen diese Erklärung als ein positives Zeichen für die US-Präsenz in Syrien.

Wir wollen, dass die USA eine Rolle im politischen Prozess in Syrien spielen, auch weil wir letztendlich immer noch Bedenken haben, dass einige radikale Akteure in Syrien versuchen könnten, die Macht in Syrien zu übernehmen. Wir hoffen, dass die neue Regierung in Washington den Syrern helfen wird, ein Syrien zu schaffen, das alle vertritt. Wir arbeiten bereits mit der neuen Regierung zusammen und haben gute Beziehungen zu ihr, und wir werden diese guten Beziehungen auch weiterhin pflegen.

Gibt es noch etwas, das Sie hinzufügen möchten und das ich nicht gefragt habe?

Ich danke Ihnen. Ich möchte folgendes unterstreichen. Jetzt gibt es in Syrien keinen Krieg und keine Kämpfe mehr, aber Kobanê ist in Gefahr. Wir erwarten von den US-Vertretern und der derzeitigen US-Regierung, dass sie den notwendigen und ausreichenden Druck auf die Türkei ausüben, um sie davon abzuhalten, Kobanê anzugreifen und einen dauerhaften Waffenstillstand erreichen.

Unsere Zusammenarbeit und unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten begannen in Kobanê, und von dort aus starteten wir eine erfolgreiche Operation, die mit der Niederlage von IS gekrönt wurde. Und nun ist diese symbolträchtige Stadt bedroht und es ist eine moralische Pflicht der USA, sie zu schützen.

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