Syrien: “Ich habe Angst vor den sogenannten Schwerstkriminellen, die Sie hierhin abschieben wollen”

Frau Bundesinnenministerin, Sie haben Post. Die aktuelle Debatte über die Abschiebung von terroristischen Gefährder wird nämlich ohne die Menschen in Syrien geführt. Wir holen sie an den Tisch.


(c) CC BY-SA 4.0/ Steffen Prößdorf/ modifiziert

Sehr geehrte Frau Bundesinnenministerin Faeser,

mein Name ist Safa Kamel. Ich bin eine alleinerziehende Mutter in Syrien. Der Vater meiner Kinder kam in einem Gefängnis des Assad-Regimes ums Leben. In welchem genau, kann ich Ihnen nicht einmal sagen. Ich komme aus Ghouta, östlich von Damaskus. Der Name ist Ihnen vielleicht bekannt, weil das Regime dort den Bewohner*innen mit Giftsgasattacken im wahrsten Sinne die Luft zum Atmen nahm. Sieben Jahre lebten wir dort unter der Belagerung, eingesperrt wie Vieh und ausgehungert wie Sträflinge. Als Assads Truppen Ghouta schließlich einnahmen, rannten wir um unser Leben. Heute lebe ich als Vertriebene in Nordsyrien.

Hier gibt es von allem viel zu wenig. Wir haben kaum Wasser, Strom oder Transportmittel, um uns zu versorgen. So viele werden krank, weil sie erschöpft sind. Die Millionen Vertriebenen hier kommen aus allen Landesteilen. Ihre Fluchtgeschichten sind Zeugnis, dass es nirgendwo in Syrien sicher ist. Denn überall treiben Milizen und Kriegsakteure ihr Unwesen. Zivilist*innen, besonders Frauen, leiden unter der unkontrollierten Verbreitung von Waffen. Wir sind ihnen schutzlos ausgeliefert. 

Ich habe Angst vor den sogenannten Schwerstkriminellen, die Sie hierhin abschieben wollen. Es gibt hier keine Strukturen, die uns vor tatsächlichen Gefährdern schützen. Ich habe aber auch Angst, dass bald syrische Geflüchtete, die nichts verbrochen haben, nach Syrien abgeschoben werden.

Systematische Abschiebungen und Zwangsrückführungen in ein Land, dessen Machthaber keine Skrupel davor hat, das eigene Volk zu töten, ist eine Bestrafung. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde getötet, inhaftiert oder vertrieben. Wir leben immer noch im Krieg. Das scheint die Welt oft zu vergessen. Das wenige, das wir besitzen, reicht nicht einmal für uns, die noch hier sind. 

Ich lebe in einer Region, in die die Türkei und andere Zufluchtsländer seit Jahren Syrer*innen abschieben. Es werden täglich mehr und es gibt keinen Platz. Uns erreichen kaum Hilfen. Es ist ein rechtloser Ort. Wer seine Papiere verloren hat, ist nichts wert und wird nicht unterstützt. So geht es vielen.

Meine Botschaft an Sie lautet deshalb: Behandeln Sie Syrer*innen in Ihrem Land gemäß Ihren gesetzlichen Verpflichtungen.

Vielen Dank für Ihre Geduld und dafür, dass Sie meine Worte gelesen haben. Meine Worte tragen viel Hoffnung und viel Schmerz in sich, aber vielleicht legen sie das Fundament für eine bessere Zukunft unserer Kinder.

Mit freundlichen Grüßen

Safa Kamel

Nordsyrien

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