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Kommentar zu Erdogans Deutschland - Besuch


Ob wir es noch erleben werden, dass das politische Berlin für den Gründer der PKK den roten Teppich ausrollt? Mit Sicherheit wäre seine Botschaft an die Völker eine andere als der erbärmliche Auftritt des derzeitigen türkischen Repräsentanten.

Das waren wieder zwei Tage, die Deutschlands Dilemma mit interessengeleiteter Realpolitik aufzeigen. Es begann mit dem naserümpfend akzeptierten Besuch von Recep Tayyip Erdoğan. Der Staatsgast verkniff es sich zwar, in Gegenwart von Bundeskanzler Scholz und Präsident Steinmeier erneut die Hamas als „Befreiungsorganisation“ zu feiern, scheute aber nicht davor zurück, mit der Erwähnung des „Schuldkults“ die Ansicht deutscher Faschisten im Hinblick auf den Holocaust zu teilen. Schließlich schwadronierte er noch, Deutschland und der gesamte Westen sei „Teil einer Kreuzritter-Imperialisten-Struktur". Was das genau bedeuten mag, ließ er offen.

Steinmeier und Scholz gaben sich zurückhaltend, vermieden eine offene Konfrontation. Die Gründe sind bekannt: NATO-Partnerschaft, Flüchtlingsabwehr... Immer noch versucht man, die Regierung in Ankara einzufangen und meint, sie in irgendeiner Vermittlerrolle brauchen zu können. Diplomatie mit Despoten, die keinen Hehl von ihrer ersehnten Rolle als Führer des politischen Islam machen?

Am gleichen Tag dann wurde bekannt, dass Abdulbari Omar, ein hoher Funktionär der Taliban, in der DITIB-Moschee Köln-Chorweiler eine militant-islamistische Propaganda-Rede hielt und um Spenden warb. Praktisch alle Medien griffen diese Nachricht auf. Man fragte, wie dies „passieren“ konnte. Hektisch verurteilten Bundesinnenministerin Faeser und Co. den Eklat und erwarteten von DITIB eine Stellungsnahme. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. verwies auf einen afghanischen Verein, der die Moschee-Räume anmietete und dann aber doch nicht involviert war. Kohorten von Journalist:innen suchten und fanden Widersprüche in Pressemitteilungen und Befragungen. Große Aufregung, die noch andauert. 

Wieder wurde deutlich, wovor viele seit Jahren warnen: Der politische Islam hat in Deutschland feste Strukturen, deren Wurzeln in der Türkei liegen. DITIB untersteht dem türkischen Präsidium für religiöse Angelegenheiten (Diyanet İşleri Başkanlığı), das heute Erdoğan direkt unterstellt ist. Die knapp 1.000 Imame arbeiten mit dem türkischen Geheimdienst MIT zusammen und unterstützen die islamistische Muslimbruderschaft. Immer wieder gab es Belege von Kriegspropaganda in den Gebetsräumen, Antisemitismus und Zusammenarbeit mit der faschistischen Ülkücü-Bewegung („Graue Wölfe“), der Verfassungsschutz „beobachtet“...

Jahrzehntelang ignorierte die deutsche Politik den aus der Türkei gesteuerten Einfluss des politischen Islam in Deutschland und meinte, ihn durch falsch verstandene Toleranz und Kooperation einhegen zu können. Dass dies kläglich scheiterte, konnte man auch am kleinen Beispiel des sogenannten „Fan-Marsches“ zum gestrigen Fußballspiel Deutschland gegen die Türkei sehen. Da wurde ganz offen der faschistische Wolfsgruß sowie der Rabia-Gruß der Muslimbrüder gezeigt. Keiner der TV-Kommentator:innen fand es wert, dies zu erwähnen; ob aus Unkenntnis oder weil man es mittlerweile als normal hinnimmt, sei dahin gestellt. Fakt ist: Deutschland hat die Ausbreitung des politischen Islam geduldet. Jetzt erschreckt zu reagieren, wenn bekannt wird, dass der türkische Präsident Führer der Hamas beherbergt oder ein Taliban-Funktionär in Köln für seine menschenverachtende Ideologie wirbt, ist naiv oder verlogen.

Und dann gab es in diesen zwei Tagen noch andere Nachrichten, die es – wenn auch nur kurz – in die Schlagzeilen schafften. Anlässlich des 30. Jahrestages des Betätigungsverbots der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) fanden in vielen Städten Demonstrationen statt, die eine Aufhebung des Verbots und eine politische Lösung der kurdischen Frage forderten. Die Proteste – auch vor deutschen Konsulaten in mehreren europäischen Metropolen – waren wohl zu groß, als dass man sie hätte unterschlagen können. Doch der Fokus der Berichterstattung lag auf der Zahl der Festnahmen, und man hatte den Eindruck, als werde bedauert, dass sich die Protestierenden „überwiegend friedlich“ verhielten. Mit den politischen Forderungen setzte man sich nicht auseinander. Das Narrativ von der „terroristischen Kurdenpartei PKK“ wird aufrechterhalten. Die Mauer des Schweigens um die Alternative, die die PKK-Bewegung zum totalitären Islamismus und einer imperialen Kolonialisierung anbietet, ist noch nicht im gesellschaftlichen Diskurs angekommen. Schade. Denn angesichts der multiplen Krisen ist die Zeit wirklich reif für den sogenannten dritten Weg, der sich weder an den Doktrinen der Nationalstaaten orientiert, noch an religiösen Großmachtphantasien. Ein Weg, der nur erfolgreich sein wird, wenn sich alle Widerstandskräfte gegen das Elend der Kapitalistischen Moderne vereinen und sich ein menschenwürdiges Zusammenleben aller im Einklang mit der Natur erkämpfen.

Abdullah Öcalan hat diese Utopie beschrieben. Statt ihn weiter zu isolieren und seine Schriften zu verbieten, würde es sich lohnen, auf seine Stimme zu hören. Ob wir es noch erleben werden, dass das politische Berlin für den Gründer der PKK den roten Teppich ausrollt? Mit Sicherheit wäre seine Botschaft an die Völker eine andere als der erbärmliche Auftritt des derzeitigen türkischen Repräsentanten. Zugegeben, es bräuchte Mut von der deutschen Politik, neue Wege einzuschlagen, und viel Hoffnung besteht nicht. Aber manchmal muss auch Zeit für Träume sein. Oder wie die 68er Bewegung schon meinte :„Seid realistisch, fordert das Unmögliche!“

 

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