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Zapatistisch-kurdisches Frauentreffen in Frankfurt


Zapatistische Delegierte der „Reise für das Leben“ sind in Frankfurt zu einem Austausch über Möglichkeiten eines gemeinsamen Kampfes mit Aktivistinnen des kurdischen Frauenrats Amara und der Kampagne „Women Defend Rojava“ zusammengetroffen.

Vertreterinnen des Frauenrats Amara und der Kampagne „Women Defend Rojava“ sind in Frankfurt am Main mit Delegierten der zapatistischen Gira Por La Vida (Reise für das Leben) zusammengetroffen. Die zapatistische Delegation ist am Mittwoch in der Main-Metropole angekommen und führt eine Woche lang Gespräche mit zivilgesellschaftlichen Gruppen.

Bereits am Donnerstagmorgen traf sich eine Frauengruppe aus der Delegation mit Vertreter:innen der Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK) und des Kurdischen Frauenbüros Cenî. Dabei wurden die Geschichte Kurdistans und der kurdischen Frauenbewegung skizziert und insbesondere die Bedeutung von Internationalismus im kurdischen Befreiungskampf dargelegt. Es wurde betont, dass die Widerstände in Kurdistan, ähnlich wie die zapatistische Bewegung, Menschen auf der ganzen Welt Hoffnung und Inspiration gegeben haben. Anschließend trugen Frauen der Delegation die Geschichte der Zapatistas vor und erklärten, wie und warum die Selbstverwaltung zustande kam, wie sie aufgebaut ist, wie mit patriarchaler Gewalt umgegangen wird, und um welche Prinzipien herum die Zapatistas sich in Chiapas organisieren. Dabei wurden viele Parallelen zum Widerstand in Kurdistan hergestellt.

Am Freitagabend trafen sich dann Aktivistinnen von Women Defend Rojava und Vertreterinnen des kurdischen Frauenrats Amara mit den zapatistischen Frauen. Die Amara-Mitglieder stellten kurz die kurdische Frauenbewegung vor und erzählten, wie sich kurdische Frauen sowie die kurdische Jugenbewegung auch in Europa seit vielen Jahrzehnten autonom organisieren, verbünden und für Befreiung und Frieden in Kurdistan einsetzen. Erwähnt wurde speziell die jüngste Kampagne der kurdischen Frauenbewegung „100 Reasons", die auf die vielfältigen Angriffe des Patriarchats, des kapitalistischen Systems und des Staates auf Frauen in Kurdistan aufmerksam macht.

„Unser Feind ist derselbe"

Die Frauengruppe aus Chiapas erzählte daraufhin, dass es in ihren autonomen Gebieten keine Femizide gebe. Patriarchale Verhältnisse seien trotzdem nicht vollständig überwunden: Neben Fällen von häuslicher Gewalt und Misshandlung sei ein weiteres Problem die noch eher geringe Beteiligung von Frauen in den einigen Gremien der Selbstverwaltung, was unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass viele von ihnen nicht lesen und schreiben können, kein Spanisch sprechen oder oft die alleinige Verantwortung für Kinder tragen. Heute sei vieles anders: Die Geschlechterverhältnisse sowie auch die Teilung der Aufgaben in fast allen Bereichen seien zunehmend egalitär und das Miteinander genossenschaftlich.

Abschließend wurde über gemeinsame Perspektiven und Hoffnungen gesprochen. Eine Aktivistin der Delegation erklärte, dass es bei all den Parallelen sowie auch Unterschieden vor allem wichtig sei, den gemeinsamen Feind vor Augen zu haben: das kapitalistische System, welches sich durch Gewalt, Ausbeutung, die Zerstörung der Natur und Landraub am Leben erhält. So bleibe allen nichts anderes übrig, als den gemeinsamen revolutionären Kampf voranzutreiben, uns zu organisieren und zu vernetzen.

Die Aktivistinnen des Frauenrats Amara überreichten den Frauen aus Chiapas zum Abschluss Symbole der kurdischen Frauenbewegung als Gastgeschenke. Das Treffen endete mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit“.

Reise für das Leben

Die Zapatistas hatten am 5. Oktober vergangenen Jahres bekannt gegeben, ab April 2021 Delegationen auf fünf Kontinente zu schicken. Im Juni landete eine Delegation der Zapatistas per Schiff in Spanien, um gegen 500 Jahre Kolonialismus zu demonstrieren und den genauso lang anhaltenden Widerstand der Indigenen in Erinnerung zu rufen. Am 13. August 2021 fand in Madrid in Anwesenheit dieser ersten zapatistischen Delegation unter dem Motto „Ihr habt uns nicht erobert!“ eine Demonstration am Ausgangspunkt des spanischen Kolonialismus statt. Genau 500 Jahre zuvor ermordeten die Konquistadoren unter Hernán Cortés in Tenochtitlán, dem damaligen Zentrum des Aztekenreiches, binnen weniger Tage rund 80.000 Einwohner:innen und schufen so die Grundlage für die Beherrschung und Ausbeutung Zentralamerikas durch die spanische Krone.

Treffen mit dem „Anderen Europa“

Im Juli fand ein mehrtägiges Treffen des „Anderen Europas“ mit zapatistischen Delegierten in Frankreich statt. Rund 2.000 Menschen aus ganz Europa reisten hierfür in die Verteidigungszone „La ZAD“ (Zone à Défrendre) in Nantes. Unter ihnen waren auch Aktivistinnen der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen – Für Selbstbestimmung und Autonomie“ aus Celle und Berlin sowie Mitglieder des Jineolojî-Zemtrums Brüssel. Die ersten beiden Tage des Treffens fanden im autonomen FLINT*-Rahmen statt, darauf folgten weitere drei Tage mit allen Geschlechtern. Unter anderem gab es einen Austausch zu Themen wie Jineoloĵi, Demokratischer Weltfrauenkonföderalismus, Kritik am neoliberalen Feminismus und Migration.

Weltweit auf der Suche nach Verbündeten

Vergangene Woche begann die zweite Episode der „Reise für das Leben“ in Wien. Geplant ist ein Austausch der zapatistischen Delegierten mit den Kollektiven, Initiativen, Gruppen und Projekten der Bewegungen eines „Anderen Europas“. Die Zapatistas erwarten keine „großen Events“, sondern verfolgen die Absicht, die Kämpfe in Europa kennen zu lernen und sich mit den Aktivist:innen auszutauschen. Sie sehen das kapitalistische Wirtschaftsprinzip und Gesellschaftssystem als ursächlich für die weltweite Naturzerstörung und Unterdrückung unter anderem von Indigenen, Frauen und anderen Geschlechtern. Dieses System sei abzuschaffen, da die Lebensgrundlage der Menschen weltweit auf dem Spiel steht. Dafür suchen die Zapatistas weltweit nach Verbündeten. Europa soll der Anfang einer globalen Anstrengung der indigenen Bewegungen Mexikos sein. Erwartet werden die Zapatistas in mehreren kleineren Delegationen in rund 30 Ländern E

 

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