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Hewlêr: Festnahmen im Vergewaltigungsfall einer Siebenjährigen

Rund ein Jahr nach der Gruppenvergewaltigung einer damals Siebenjährigen im südkurdischen Hewlêr sind drei Tatverdächtige und zwei Helferinnen verhaftet worden. Erst ein öffentlicher Aufschrei der Empörung sorgte für die Maßnahme.




Fast ein Jahr nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung einer damals Siebenjährigen in der südkurdischen Metropole Hewlêr (Erbil) sind drei Tatverdächtige und zwei Helferinnen verhaftet worden. Das Mädchen war am 3. April 2019 aus seiner Schule in der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan entführt und von drei Männern vergewaltigt worden. Anschließend wurde es am Rande von Hewlêr ausgesetzt. Die Stiefmutter des Kindes sowie deren Schwester deckten die Tat. Zwar wurden die Verdächtigen nach einer Anzeige des Kindsvaters Loqman Îsmail, einem Peschmerga-Veteran der YNK (Patriotische Union Kurdistans), schnell gefasst. Doch die juristische Auseinandersetzung blieb bisher aus, alle fünf Personen wurden auf Kaution freigelassen.
Erst der Gang des Vaters des heute achtjährigen Mädchens an die Öffentlichkeit in der vergangenen Woche brachte den Stein ins Rollen. Bei einer Pressekonferenz schilderte der Mann die Ignoranz der Sicherheitsbehörden in Hewlêr und beklagte die Untätigkeit der Politik und Justiz. Der Aufschrei veranlasste den südkurdischen Ministerpräsidenten Masrour Barzani schließlich, die Festnahme der Tatverdächtigen anzuordnen.
„Jahrelang habe ich als Peschmerga-Kämpfer die Würde meines Landes verteidigt Heute finde ich niemanden, der für die Würde meiner Tochter eintritt”, hatte Îsmail am Mittwoch vor laufenden Kameras erklärt. Bereits seit Juni führt der im Veteranenverein Pêşmergeyên Dêrîn (dessen Mitglieder bereits 1992 während des Golfkriegs in Südkurdistan kämpften) organisierte Peschmerga einen Kampf um Gerechtigkeit für seine Tochter. Mehrfach wurde er seitdem mit dem Tod bedroht. Nicht nur aus dem Umfeld der Tatverdächtigen, bei denen es sich seinen Angaben nach um Didar Qasim A., Bashdar Qasim A. und Ibrahim Ismael O., allesamt Sicherheitsbedienstete eines PDK-Beamten, handeln soll. Auch aus den Reihen der Polizei. Zunächst sei Îsmail noch unter Druck gesetzt worden, damit er seine Anzeige zurücknimmt. Später folgten direkte Todesdrohungen gegen den Mann.

Breites Bündnis fordert Bestrafung der Richter
Die Vergewaltigung des Mädchens sorgt in Südkurdistan für Entsetzen und hat große Empörung ausgelöst. In Silêmanî haben sich am Samstag insgesamt 121 Journalist*innen, Anwält*innen, Vertreter*innen von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie Akteur*innen der Zivilgesellschaft zusammengefunden und eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Das Bündnis fordert die Bestrafung der Täter und Richter, die die Beschuldigten freiließen. „Wir werden jegliche Versuche mit dem Ziel, die juristische Ahndung der Vergewaltiger zu sabotieren, verhindern. Das gleiche gilt für die Richter, die diese menschenverachtende und abscheuliche Tat ungesühnt lassen wollen”, hieß es in einer Erklärung.



(Warum wir diese Geschichte im "Info zur Kurdischen Revolution" abdrucken? 
Nun, sie erinnert uns an Gülbahar K. in Sur (Diyarbakır). Wir lernten sie vor einigen Jahren kennen: Ein tapferen 15-jähriges Mädchen, das sich gegen die Gewalt ihrer Eltern und Brüder auflehnte. Immer wieder besuchten wir sie, gingen zum Schulamt, zum Krankenhaus, zu den Frauenzentren, zu Rechtsanwältinnen, zum Staatsanwalt... Damals war ja die Stadtverwaltung in der Hand der kurdischen Bewegung, der auch der Vater nahestand.
Aber es war ein Kampf gegen eine Gummiwand. Wie in Erbil - nur ohne Öffentlichkeit. Denn alle mauerten. Auch die Frauenbewegung von Diyarbakır. Jineoloji hin oder her.
Wie der Fall endete? Gülbahar wollte ihren Vater bei der Polizei anzeigen, als er sie wieder einmal zusammengeschlagen hatte. Da schoß er sie in den Fuß zum Krüppel. Die Familie zog dann aus Sur weg, und Erdogan hat das ganze Viertel dem Erdboden gleichgemacht.
Deshalb drucken wir den Fall von Erbil hier ab. Als seltene Gelegenheit, die tatsächliche, die herrschende  Situation der Kurdinnen aufzudecken. Dass Mädchen und Frauen vergewaltigt und getötet werden, straflos, ist alltäglich in allen kurdischen Gebieten. Aber dass ein "Fall" an die Öffentlichkeit gebracht wird und breiter Protest aufkocht, das ist außergewöhnlichlich.
Ingo Speidel von der Redaktion)

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