Türkei: Protestzug für die Anerkennung des Wählerwillens
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Seit einer Woche zieht ein Protestmarsch aus dem Westen der Türkei nach Colemêrg, um die Anerkennung des Wählerwillens einzufordern. Die Zwangsverwaltung in Kurdistan ist ein Ergebnis der Weigerung, die kurdische Frage mit demokratischen Mitteln zu lösen.
Seit einer Woche zieht ein Protestzug aus dem Westen der Türkei in den Südosten, um die Anerkennung des Wählerwillens in den kurdischen Gebieten einzufordern. Ziel ist die kurdische Widerstandshochburg Colemêrg (tr. Hakkari), die Anfang Juni erneut unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt wurde. Der rechtmäßige Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış, der bei der Kommunalwahl im März für die DEM-Partei ins Rennen ging und trotz massiver Betrugsversuche und des Einsatzes tausender Soldaten als „Geisterwähler“ mit fast 49 Prozent der Stimmen gewählt wurde, ist nach zwei Monaten des Amtes enthoben und in einem politischen Terrorprozess wegen Unterstützung der PKK zu knapp 20 Jahren Haft verurteilt worden. Die Amtsgeschäfte wurden vom türkischen Innenministerium einem Zwangsverwalter übertragen, trotz der Ernennung der DEM-Politikerin Viyan Tekçe zur Interimsbürgermeisterin durch den Stadtrat.
Bei einer Pause am Freitag in Wan wurde getanzt
Die Teilnehmenden an dem Protestzug haben die vergangene Nacht in der Provinz Wan verbracht und sind am Morgen aus Elbak (Başkale) Richtung Colemêrg aufgebrochen. Unter den rund 350 Teilnehmenden sind Ko-Bürgermeister:innen und Abgeordnete der DEM sowie Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und Politiker:innen weiterer Parteien. Nach ungefähr vier Kilometern wurde ein Zwischenstopp eingelegt, um eine Erklärung zu der Aktion abzugeben.
Feray Mertoğlu, Ko-Vorsitzende der SYKP (Partei für einen sozialistischen Neuaufbau), erklärte vor Journalist:innen, dass der Protestmarsch gegen Zwangsverwaltung trotz massiver Behinderung durch die Staatsmacht weitergeht. „Seit drei Wahlperioden wird den Kurdinnen und Kurden das aktive und passive Wahlrecht abgesprochen. Um ihren eigenen Komfort zu bewahren, lässt die Regierung nicht zu, dass sich die kurdische Bevölkerung selbst verwaltet und eigene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wählt. Die Zwangsverwaltung in Kurdistan ist ein Ergebnis der Weigerung, die kurdische Frage mit demokratischen Mitteln zu lösen. Die Öffentlichkeit, einschließlich der revolutionären und bürgerlichen Opposition, darf nicht dazu schweigen. Wenn wir schweigen, werden Frauen in ihren Wohnungen eingesperrt, Werktätige arbeitslos und die Natur zerstört“, sagte die sozialistische Politikerin. Die Demonstration trete für ein freies und gleiches Zusammenleben aller Menschen ein.
Hintergrund: Acht Jahre Zwangsverwaltung in kurdischen Gemeinden
In den Jahren 2016 und 2017 wurden 95 gewählte Bürgermeister:innen in kurdischen Gemeinden vom türkischen Innenministerium abgesetzt und 93 von ihnen inhaftiert. Nach den Kommunalwahlen 2019 wurden wiederum 48 gewählte Bürgermeister:innen des Amtes enthoben und 39 von ihnen verhaftet. Nach den Kommunalwahlen vom 31. März 2024 hat es nun Mehmet Sıddık Akış getroffen. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Bürgermeister:innen der DEM-Partei auf der Abschussliste der Regierung stehen. Zahlreiche ehemalige Mandatsträger:innen aus der Türkei leben inzwischen im Exil in Europa.
Fotos: MA
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