Mobilisierung gegen türkische Offensive in Kurdistan
22.4.2022
Was passiert in Südkurdistan?
Die
Türkei hat unter
dem Vorwand der
„Terrorbekämpfung“ einen Großangriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete
in Südkurdistan
(Başûr)
gestartet.
Primär sind die
Regionen Zap und
Avaşîn
betroffen. Nicht
nur die
kurdische
Freiheitsbewegung,
sondern auch
Dorfbewohner*innen
sind von diesen
Angriffen durch
die türkische
Armee betroffen.
Die
Regionalregierung
in Hewlêr unter
der KDP
(„Demokratische
Partei
Kurdistans“)
kollaboriert
dabei mit der
Türkei und lässt
somit zu, dass
die eigene
Zivilbevölkerung
angegriffen
wird.
Ein solcher
Großangriff
seitens der
türkischen Armee
wurde schon
länger
befürchtet.
Schon im Vorfeld
haben Menschen
in Kurdistan und
Europa gegen die
Bedrohung durch
die Türkei
protestiert. Und
seit einer Woche
sind Menschen
überall auf den
Straßen, um die
türkische
Invasion in
Südkurdistan zu
verurteilen und
sich solidarisch
mit dem
Widerstand der
kurdischen
Bewegung zu
zeigen.
Der
kurdische
Dachverband
KCDK-E ruft
auch für
morgen
(Samstag) zu
Protesten auf: „Die [türkische] Regierung befindet sich aufgrund
wirtschaftlicher, militärischer, gesellschaftlicher und diplomatischer
Probleme in
einer tiefen
Krise, die sie
mit
militärischen
Siegen
überspielen
will“, heißt es
unter anderem in
dem Aufruf.
Auch das Bündnis
„Defend
Kurdistan“ ruft
gemeinsam mit
„Women Defend
Rojava“ und
„RiseUp4Rojava“
dazu auf, auf
die Straßen zu
gehen. Lest
euch unbedingt
die ganze
Erklärung
durch. Darin heißt es unter anderem: „Weltweit wird über
Krieg diskutiert
und der Frieden
eingefordert,
doch wieder
einmal wird
Kurdistan davon
ausgenommen. In
den deutschen
Medien wurde
nahezu nicht
darüber
berichtet, dass
innerhalb von
fünf Tagen fast
200 Luftschläge
stattgefunden
haben, dass der
Krieg der Türkei
dafür gesorgt
hat, dass von 93
Dörfern in der
Region Şîladizê
nur noch sieben
bewohnt sind,
dass bereits am
Tag nach Beginn
des
Angriffskrieges
in mehr als 30
deutschen
Städten
demonstriert
wurde und
seitdem ständig
Protest auf der
Straße
stattfindet.“
Was geschieht noch?
Die
Angriffe des
türkischen
Staates sind
nicht auf
Südkurdistan
beschränkt. Seit
Jahren greift
die türkische
Armee auch die
Revolution in
Rojava an, es
werden immer
wieder
Zivilist*innen
und
Kämpfer*innen
der dortigen
Selbstverteidigungseinheiten
getötet und
verletzt. Am
Mittwoch etwa
wurden drei
Kämpferinnen der
Frauenverteidigungseinheiten YPJ (über die bei der letzten Ausgabe
berichtet wurde)
namens Dilar,
Ronahî und
Kobanê bei einem
Drohnenangriff
in Kobanê getötet. Und heute wurden mehrere Artillerieangriffe auf
Kobanê, Efrîn
und Şehba
gemeldet.
Auch über dem
Grenzgebiet
zwischen Başûr
und Rojhelat
(irakisch-iranische
Grenze) hat die
türkische Armee
heute mit
Kampfjets bombardiert. Und von den krassen Repressionen und der
staatlichen
Gewalt gegen
Oppositionelle
und Kurd*innen
innerhalb der
Türkei/Nordkurdistan
hört ihr
bestimmt auch
immer wieder:
Festnahmen,
Verbote,
Kriminalisierung,
Folter in
Gefängnissen,
Polizeigewalt
und mehr sind
Alltag geworden.
Somit greift der
türkische Staat
derzeit
Kurd*innen an
allen Fronten,
in allen vier
Teilen
Kurdistans an.
Es ist aus
feministischer
Sicht wichtig zu
betonen, dass
all diese
Angriffe auch
patriarchale,
femizidale
Angriffe sind.
Bei den
Angriffen gegen
die kurdische
Freiheitsbewegung
handelt es sich
um Angriffe
gegen die wohl
wichtigste
Kraft, die sich
in der Region
für
Geschlechterbefreiung
und gegen
patriarchale
Herrschaft und
Gewalt einsetzt
und kämpft.
Nicht umsonst
wird die
Revolution in
Rojava eine
Frauenrevolution
genannt. Dort
wurde in den
letzten zehn
Jahren eine Form
der
Selbstverwaltung
aufgebaut, bei
der Ökologie und
Frauenbefreiung
die wichtigsten
Prinzipien
darstellen.
Die Angriffe des
türkischen
Staates richten
sich gezielt
gegen diese
Errungenschaften.
Was macht die Bundesregierung?
Nix. Solange der Aggressor ein Nato-Partner ist, scheint es niemanden zu interessieren, wenn Länder besetzt und Menschen ermordet werden. Dabei schreibt sich die Bundesregierung „feministische Außenpolitik“ auf die Fahne. Doch das ist auf jeder Ebene heuchlerisch, wenn gleichzeitig die Partnerschaft mit der Türkei aufrechterhalten wird und die Angriffe der Türkei (die auch mit deutschen Waffen durchgeführt werden) mit keinem Wort erwähnt werden.
Was können wir tun?
Das einzige, worauf wir aktuell setzen sollten, ist die Kraft der Gesellschaft. Das Bündnis „Defend Kurdistan“ hat in einer Erklärung folgende Handlungsempfehlungen gemacht:
- Beteiligt euch an den Aktionen, die von KON-MED, Defend Kurdistan, den Kampagnen Riseup4Rojava und Women Defend Kurdistan sowie den bundesweit existierenden Solikomitees organisiert werden.
- Ergreift in euren eigenen Städten die Initiative, wenn es sonst niemand tut. Egal ob Demonstration, Kundgebung, Infostand oder Blockade. Alle Formen des zivilen Ungehorsam sind wichtig und tragen dazu bei, das ohrenbetäubende Schweigen gegenüber dem Angriffskrieg zu brechen.
- Geht gezielt auf Bündnisse zu, die sich im Rahmen des Ukraine-Krieges gegründet haben, und hebt den in Kurdistan stattfindenden Angriffskrieg auf die Agenda. Bzw. setzt euch dafür ein, dass auf den Demonstrationen gegen den Krieg auch Kurdistan in Form von Redebeiträgen, Musik und Gestaltung vertreten ist.
- Insbesondere kreative Aktionen wie Bannerdrops, Flashmobs, Sit-In's uvm. lassen sich schnell und mit wenigen Menschen organisieren. Ein gut organisierter Flashmob mit 20 Menschen kann leicht mehr Öffentlichkeit schaffen als eine Demonstration mit 1.000 Teilnehmern.
- Besorgt euch Infomaterial wie Plakate, Sticker und Flyer zum Krieg und verteilt sie überall in eurer Stadt.
- Geht auf Journalist:innen, Politiker:innen und Personen des öffentlichen Lebens in eurem Umfeld und in eurer Stadt zu. Berichtet ihnen von dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und versucht sie davon zu überzeugen, sich öffentlich zu positionieren. Ein kurzes Statement auf Social Media oder ein kurzer spontan gemachter Clip hilft, Druck auf offizielle Stellungen wie das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium aufzubauen, um sie wiederum dazu zu bringen, sich mit der Situation zu befassen.
Darüber hinaus solltet ihr auf jeden Fall an lokalen Demos und Aktionen teilnehmen. In Frankfurt beispielsweise ist eine Großdemo unter der Vorreiterrolle der jungen kurdischen Frauenbewegung geplant, zu der explizit alle feministischen Kräfte gerufen werden. Die Demo beginnt um 13 Uhr an der Galluswarte.
Zum Schluss noch ein letzter Hinweis: Es gibt einen neuen Podcast des Verbandes der studierenden Frauen aus Kurdistan. In der aktuellen Folge wird der aktuelle Angriff in Südkurdistan umfassend analysiert. Hört unbedingt rein!
Checkt außerdem die deutschsprachige Seite der Nachrichtenagentur ANF ab, von da stammen fast alle Meldungen in diesem Newsletter. Dort erhaltet ihr alle Updates zur aktuellen Lage in Kurdistan.
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